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Etikette ist out – Originale sind in

3 Schritte, um sich als glaubwürdige Persönlichkeit zu positionieren.
Rainer Wälde | 13.10.2014
Die Geburtsstunde der Etikette

Am französischen Hof wurden Hinweiszettel (franz. „etiquette“) verwendet, um den Lakaien Anordnungen zu geben. Aus dieser Epoche leitet sich auch die sogenannte „Damen-Regel“ ab: Wenn Sie als Mann mit einer Dame essen gehen, erwartet Ihre Begleitung sicherlich, dass Sie ihr im Restaurant beim Platznehmen helfen. Falls nicht, hält die Dame Sie vielleicht für einen Anstandsmuffel und denkt: „Der Kerl hat kein Benehmen!“

Sag mir, was richtig und falsch ist!

300 Jahre lang prägte die Etikette unsere europäische Kultur und definierte in der gesellschaftlichen Elite, was sich gehört und was nicht. Diese Verhaltensregeln wurden über die Generationen weitergeben und grenzten auch die sozialen Kreise voneinander ab. Wer sie kannte, war drinnen, wer nicht, blieb draußen. Als Knigge-Experte sehe ich die Etikette ausgesprochen kritisch: Zum einen, weil sie Grenzen setzt, statt Brücken zu bauen. Zum anderen habe ich den Eindruck, dass Etikette für etliche Zeitgenossen auch eine Abkürzung ist: „Erklär mir die Regeln, ich will wissen, wie es funktioniert.“

Etikette ist etwas für Anfänger

Doch gutes Benehmen ist deutlich anspruchsvoller. Etikette ist für mich etwas für Anfänger – auch wenn es noch so elitär klingt. Die wahre Herzensschule lässt sich nicht in einem Crashkurs vermitteln. Damit bin ich bei Adolph Freiherr Knigge. 1788 erschien sein berühmtes Buch „Über den Umgang mit Menschen“ und es hat mit Etikette überhaupt nichts zu tun, auch wenn viele Menschen das bis heute glauben. Knigges Werk ist eine Aufklärungsschrift: Er ermutigt seine Leser, auf die Stimme ihres Herzens zu hören. Gleichzeitig kritisiert auch er dünkelhaftes Verhalten.

Die spannende Frage bleibt: Wie positionieren Sie sich als glaubwürdiges „Original“?

1. Überbrücken Sie die Trennung zwischen Kopf und Herz

Die humanistische Bildung hat unsere Ratio gut trainiert: Mit unserem Verstand beurteilen wir unsere Beobachtungen und Erfahren und bilden uns schnell eine Meinung. Die „Vor-Urteile“ anderen Menschen gegenüber sind auch bei den Umgangsformen ein spannendes Thema. Doch die eigentliche Schwäche liegt in der Herzensbildung, von der Knigge spricht. Mein Tipp: Überwinden Sie die Trennung zwischen Kopf und Herz! Vertrauen Sie der Stimme ihres Herzens, männlich gesprochen: ihrer Intuition.

2. Brechen Sie auch Etikette-Regeln

Damit dies gelingt, muss ich mir meiner Identität sicher sein, wissen wer ich bin. So wie der spanische König: Zum Staatsbesuch hat er einen afrikanischen Präsidenten eingeladen. Für die Gäste wurden feines Geschirr, bestes Besteck und edle Gläser eingedeckt. Dazu auch jeweils eine Fingerbowle. Sie wird bei Fingerfood genutzt, zum Beispiel bei gebratenen Wachteln, und ermöglicht den Gästen, sich die Finger direkt am Tisch zu reinigen. Kurz nach der Begrüßung ergreift der afrikanische Gast seine Fingerbowle und trinkt sie in einem Zug leer. Atemlose Stille. Nach der spanischen Hofetikette ein echter Fauxpas. Geistesgegenwärtig ergreift der Gastgeber seine Bowle und trinkt sie ebenfalls leer. Mit dieser Geste hat er die peinliche Situation gerettet. Für mich ist dies ein Paradebeispiel: Die Regeln kennen und im entscheidenden Moment brechen – das ist es, was echte Originale ausmacht.

3. Agieren Sie selbstbewusst

Szenenwechsel: Björn trägt ein cooles Tattoo auf dem Oberarm, dazu einen kernigen Holzfällerbart, am Hosenbund blitzt eine neonfarbene Unterhose auf. Zur abgewaschenen Jeans wählt er hochgeschlossene Boots. Keine Frage: Ein echter „Hipster“ – ein junger Trendsetter, der den Zeitgeist für sich stimmig umsetzt. Hand aufs Herz: Welches Benehmen erwarten Sie nach diesem ersten Eindruck von Björn? Mit seinem Outfit passt er in keine Business-Schablone. Umso überraschender: Der junge Mann kennt sogar die Begrüßungsrituale. Zuerst die Dame, dann der Herr. Er wartet ab, bis ihm ein Platz angeboten wird. Auf den zweiten Blick scheint er sich mit den Grundregeln der Etikette auszukennen. Dabei ist er ausgesprochen aufmerksam, ein guter Zuhörer.

Natürlich weiß er, dass er mit seinem Hipster-Look nicht den bürgerlichen Erwartungen entspricht. Dazu gehört Selbstbewusstsein und Mut. Gleichzeitig hat er einen Zugang zur Stimme seines Herzens gefunden. Seine Herzenshaltung ist aufrichtig, in meinen Augen spielt er kein Theater. Damit ist Björn für mich ebenfalls ein glaubwürdiges Original. Um in meinem Bild der Ausbildung zu bleiben: Etikette-Regeln zu kennen ist die Basisstufe, Knigges Herzenshaltung zu trainieren die Gesellenzeit, authentisch Umgangsformen zu leben die Meisterreife.

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