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Trendreport Zukunft Personal 2016

Messe-Seismograph Arbeiten 4.0: Sechs Trends, die hinter dem Top-Thema stecken.
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Die Messe Zukunft Personal 2016 erzielte nicht nur Spitzenwerte bei Besucher- und Ausstellerzahlen sowie der belegten Fläche (siehe Infografik „Top Line Facts“). Das Programm mit rund 450 Vorträgen, Diskussion und interaktiven Formaten war erstklassig. Als Treffpunkt der Community von Personalern und Arbeitsexperten ist die Veranstaltung ein Seismograph, der anzeigt, wohin die Reise der Arbeitswelt geht. Sechs exemplarische Trends veranschaulichen die aktuellen Entwicklungen.

#Trend 1: Cowork von Mensch und Maschine

„Schon heute zeichnet sich ab, dass Roboter als Kollegen immer stärker unser Arbeitsumfeld prägen – aus Robots werden Cobots“, sagte Frank Riemensperger, Bitkom Hauptvorstand und Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture auf der Zukunft Personal. Dieser Trend betrifft nicht nur die Werkshallen, sondern ebenso die Bürotätigkeiten. Accenture hat gemeinsam mit dem World Economic Forum eine Studie durchgeführt, wonach künftig emotionale Intelligenz, geistige Flexibilität und kritisches Denken wichtiger werden, während die klassischen Prozess-Skills an Bedeutung verlieren. „Vor allem kognitive Nicht-Routinetätigkeiten wie sie ein Psychologe ausübt oder manuelle Nicht-Routinetätigkeiten wie in der Pflege haben Zukunft“, so Riemensperger. Arbeiten 4.0 bedeute heute meist, dass Prozesse halbautomatisiert ablaufen: Entscheidungen werden von Maschinen vorbereitet und von Menschen getroffen.

Exemplarisch lässt sich dies in der Personalgewinnung beobachten: Während Algorithmen die Vorauswahl übernehmen können, bleibt das Bewerbungsgespräch und die finale Wahl der Kandidaten den Recruitern vorbehalten – noch. Bereits heute gibt es erste Versuche mit Robotern, die auch Interviews führen. „Robot-Recruiting“ in all seinen Formen bietet jedenfalls für Personaler klare Vorteile: Kandidaten erhalten rund um die Uhr ein schnelles Feedback, während sie selbst mehr Zeit für den persönlichen Austausch mit den Kandidaten, das Talent Relationship Management oder strategische Fragen haben.

Beispiel 1: Voith – Abbruchraten der Bewerber getrackt
Beispiel 2: Baloise Group – Einsatz von Chatbots im Test
Beispiel 3: Wollmilchsau – bestehende Lösungen verzahnen
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#Trend 2: Kulturwandel – agil und anpassungsfähig werden

Sensoren, Business Analytics, Displays, Mensch-Maschine-Schnittstellen – Unternehmen müssen sich heute ständig hinterfragen und überlegen, inwiefern neue digitale Geschäftsmodelle ihre Existenz gefährden. Die Veränderung in Unternehmen wird hochfrequenter. „Wir müssen uns permanenter anpassen – und das betrifft sowohl die Strategie als auch die Arbeit jedes einzelnen Mitarbeiters“, meint Dr. Pero Micic, Zukunftsmanager und CEO der FutureManagementGroup AG. Deshalb erlebten wir aktuell eine große Welle der Agilität: „Unternehmen versuchen von Softwareentwicklern zu lernen, wie man sich jenseits der Hierarchie-Pyramide organisiert.“

„Die Schnellen fressen die Langsamen. Die Großunternehmen können sich heute nicht allein auf ihre Größe verlassen“, konstatiert Prof. Dr. Stephan Fischer, Direktor des Instituts für Personalforschung an der Hochschule Pforzheim. „Der große Tanker braucht mehrere Seemeilen bis er einem Hindernis ausweichen kann. Das kleine wendige Segelschiff gilt als Symbol für Agilität.“ Eigentlich gehe es um Anpassungsfähigkeit: Unternehmen müssten Dinge antizipieren, in Handeln umsetzen und reaktionsfreudiger werden. Ist Agilität also das neue Unternehmensmodell der Stunde? Jein, meint Prof. Fischer: „Agilität ist nicht per se das bessere Organisationsprinzip. In einem stabilen Umfeld kann es auch von Nachteil sein.“ Agilität trage aber zum Überleben bei, wenn ein Betrieb dem disruptiven Wandel unterliege.

Beispiel 1: MaibornWolff – Agilität einführen
Beispiel 2: Audi – das richtige Maß an Agilität finden
Beispiel 3: E-Post – agil bleiben
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#Trend 3: Digital Leadership – Experimente bitte!

Vertrauen reduziert Komplexität. Die Erkenntnis des Soziologen Niklas Luhmann ist aktueller denn je: „Wir brauchen eine adäquate Menschenführung im digitalen Zeitalter. Da muss sich etwas ändern“, fordert Prof. Dr. Thorsten Petry von der Hochschule RheinMain auf der Zukunft Personal. Für Führungskräfte gelte es, eine stärkere Partizipation jedes einzelnen Mitarbeiters zu unterstützen, als Vorbild und Coach. „Dazu sind Experimente wichtig. Man sollte Dinge erst ausprobieren, bevor man sie in die Breite trägt“, so Petry. In verschiedenen Bereichen von Wissensmanagement oder Produktion verändere sich Führung unterschiedlich, pflichtet Katharina Hochfeld vom Fraunhofer Center for Responsible Research and Innovation bei. Wer mobil arbeite, brauche mehr Vertrauen von Seiten der Führungskräfte, müsse aber auch ergebnisorientierter arbeiten und besser strukturiert sein.

Ein weiterer Aspekt: Entscheidungsfindung basiert zunehmend auf Zahlen, Daten, Fakten – und immer weniger auf Hierarchien. „Predictive Analysis“ sagen voraus, wann Beschäftigte das Unternehmen verlassen könnten und ein Mitarbeitergespräch sinnvoll wäre. Auch die Strategien für Diversity und Inklusion können auf Datenanalysen beruhen. Die Zahlen geben den Managern viele Dinge vor, egal ob sie das gut finden oder nicht. Durch Feedback-Tools wie kununu & Co steht ihre Arbeit auf dem Prüfstand.

Beispiel 1: Google – Digital Leadership ist anstrengend
Beispiel 2: Umantis-Gründer Arnold – gescheiter scheitern
Beispiel 3: Traum-Ferienwohnungen GmbH – beim Gehalt wird es kompliziert
Beispiel 4: ISEKI-Maschinen GmbH – neue Führung im Familienbetrieb
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#Trend 4: Liquid Workforce – Innovationen aus der Crowd

Arbeitnehmer fordern heute mehr Flexibilität. Diese Haltung befeuert unter anderem das sogenannte Crowdworking: Über Plattformen schreiben Unternehmen verschiedenste Aufgaben aus – von anspruchslosen Micro-Tasks bis hin zu Forschungs-, Entwicklungs- oder Designaufgaben. „Es gibt heute etwa 100 Plattformen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Perspektiven“, weiß Christoph Sieciechowicz, Vorstandsmitglied des Deutschen Crowdsourcing Verbands e.V. Für Unternehmen biete Crowdworking deutliche Kostenersparnis, neue Impulse für Innovationen und flexible Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer. Als mögliche Risiken nennt Sieciechowicz rechtliche Unsicherheit und die Gefahr, dass Know-how aus den Unternehmen abwandert.

Die Crowdworker wiederum profitieren von abwechslungsreichen Aufgaben und flexibler Zeiteinteilung, die eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglicht. „Wir möchten heute Freiheit, Flexibilität und Selbstbestimmung bei der Arbeit nicht mehr missen“, sagt Bastian Unterberg, Gründer von jovoto. Doch teilweise sittenwidrige AGBs, Entgelte unter Mindestlohnniveau, fehlende Sozialversicherung, Haftung und Schutz vor Willkür seien Probleme, die es zu lösen gelte, meint Vanessa Barth, die das Thema Crowdworking im Vorstand der IG Metall betreut: „Wir brauchen gewisse Standards, wie eine Sozialversicherung, die sich an der Künstlersozialkasse orientieren könnte, Mitbestimmungsrecht und Transparenz, Datenschutz und Privatsphäre sowie eine angemessene Vergütung.“

„Ideen können und müssen auch die Unternehmen selbst schaffen. Die Crowd ist kein Garant für gelungene Innovation!“, meint wiederum Raúl Aguayo-Krauthausen, Gründer der Sozialhelden und Inklusionsaktivist. Das haben einige Arbeitgeber inzwischen erkannt: Das Prinzip „Weisheit von Vielen“ macht sich auch innerhalb von Organisationen breit.

Beispiel 1: Innovationsradar der Deutschen Bank
Beispiel 2: Wheelmap – Crowdsourcing ist kein Selbstläufer
Beispiel 3: adidas – alles ist Netzwerk
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#Trend 5: Weiterbildung – Digitales Mindset erleben

Personalexperten sind sich einig, dass künftig alle Berufsfelder eine digitale Komponente haben werden und Mitarbeiter dafür ihre Kompetenzen weiterentwickeln müssen. 80 Prozent der Beschäftigten teilen diese Auffassung laut der aktuellen Studie „Arbeitsqualität und wirtschaftlicher Erfolg“, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegebenen hat. „Das bietet beste Voraussetzungen, sich der Digitalisierung zu stellen“, kommentiert Rudolf Kast, Themenbotschafter „Wissen & Kompetenz“ der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA).

„Arbeiten 4.0 bedeutet die Emanzipation der Systeme dem Menschen gegenüber. Die Systeme werden aktiv und sagen dem Menschen, was er zu tun hat“, analysiert Prof. Dr. Manfred Becker, Wissenschaftlicher Leiter der eo ipso Personal- und Organisationsberatung. In diesem Zusammenhang brauche es Mitarbeiter, die eine neue Arbeitswelt erfinden und Geschäftsmodelle modellieren (hervorbringende Kompetenz), Beschäftige, die diese Ideen auf die Straße bringen (implementierende Kompetenz), Arbeitnehmer, die dominierenden Systemen assistieren (dienende Kompetenz) und Menschen, die all dies zusammenbringen und Unternehmen zusammenhalten (vereinigende Kompetenz).

Im Zuge der Digitalisierung sind jedoch nicht nur neue Lerninhalte vonnöten – auch die Lernmethoden wandeln sich. Mit Datenbrillen bekommt der Mitarbeiter in der Produktion die Schweißvorlagen skizziert, die er ausarbeiten soll. In Sachen Wissensarbeit wiederum treten derartige Assistenzsysteme in Form von Siri, Alice & Co auf den Plan: Computerprogramme oder Apps entwickeln sich zunehmend zu persönlichen Lehrern. Derweil üben Unternehmen andere neuartige Lernformaten, bei denen Mitarbeiter ein digitales Mindset direkt erleben sollen.

Beispiel 1: Axel Springer – Kultur vor Strategie
Beispiel 2: SAP-Softwareentwickler lernen Agilität
Beispiel 3: Bosch – Wie der Elefant das Tanzen lernt
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#Trend 6: Employee Experience – der zufriedene Mitarbeiter

„Die Arbeitswelt steht vor der Frage: Bleibt der Mensch Koch oder wird er zum Kellner der Digitalisierung und der cyberphysischen Systeme?“, pointiert Prof. Dr. Manfred Becker von eo ipso eine Kernfrage der Messe Zukunft Personal mit ihrem Motto „The Employee Experience“. „Die Summe der Erlebnisse, die Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz machen, werden wichtiger“, betont Ralf Hocke, Geschäftsführer des Zukunft-Personal-Veranstalters spring Messe Management. Dieser Meinung schlossen sich in Köln viele Experten an.

So hebt unter anderem Dr. Pero Micic, Zukunftsmanager und CEO der FutureManagementGroup AG hervor, dass der Mensch im ganzen Digitalisierungschaos die Oberhand behalten sollte: „Es geht darum, die Maschinen an den Menschen anzupassen und nicht umgekehrt.“ Wenn der Leistungsdruck und -sog steige, brauche es technische Lösungen, die auch die Gesundheit der Menschen nicht außer Acht ließen. Dr. Natalie Lotzmann, Themenbotschafterin „Gesundheit“ der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), empfiehlt Unternehmen in diesem Zusammenhang, Gesundheit nicht nur aufs Individuum zu beziehen, sondern auf die Organisationsstrukturen. „Wir müssen uns fragen: Welche Auswirkung hat Gesundheit und Wohlbefinden des Mitarbeiters auf Leistungsfähigkeit, Produktivität, Engagement und Kreativität“, fordert die Leiterin Globales Gesundheitsmanagement der SAP SE. „Nur Menschen die Wertschätzung erfahren und sich wohlfühlen, können ihr Potenzial voll entfalten. Freude und Spaß sind die essenziellen Faktoren für Gesundheit.“

Der Spaßfaktor wird folglich bei vielen Ansätzen von „New Work“ großgeschrieben. Selbstverständlich bemühen sich Arbeitgeber nicht aus reiner Selbstlosigkeit um die Mitarbeiter, sondern weil davon beide Seiten etwas haben.

Beispiel 1: IBM – Employee Experience wird wichtiger
Beispiel 2: Pascoe – Leuchtturm für die Gesundheitsbranche
Beispiel 3: comspace – mit New Work gerne arbeiten
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Ausblick: Arbeiten 4.0 und wie geht es weiter?

„Wir lassen uns als Personaler oft noch zu sehr zurückdrängen. Wir müssen das Feld zurückerobern“, appelliert Norbert Janzen, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor von IBM Deutschland, an HR-Manager, die einen Großteil der Besucher auf der Zukunft Personal ausmachen. „Es gibt so viele coole Themen. Wenn jeder sich nur ein paar herausgreift, dann können wir durch die Digitalisierung das Human Resource Management verändern und ihm wieder zu neuer Bedeutung verhelfen. Wir sollten uns nicht wegrationalisieren lassen, sondern die Verantwortung einfordern.“

„Arbeiten 4.0 ist ein offener Prozess, der uns auch in Zukunft noch beschäftigen wird“, erklärt Messemacher Ralf Hocke im Nachgang. Das kürzlich veröffentlichte Weißbuch von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zeige ebenso wie die Diskussionen auf der Zukunft Personal, dass dies ein fließender Prozess sei, der ein neues Denken erfordere. „Wir haben gerade erst begonnen, uns dieses neue Mindset auch für das Personalmanagement zu erschließen. Die Zahl der möglichen Ansätze und Lösungen in Unternehmen nimmt jedoch ständig zu.“

Im kommenden Jahr gibt die Zukunft Personal als Trendbarometer für die Arbeitswelt wieder einen Einblick in neue Entwicklungen: Europas größte Messe für Personalmanagement gastiert vom 19. bis 21. September 2017 erneut in der Koelnmesse.

Den ausführlichen Trendreport mit Praxisbeispielen herunterladen

Über die Messe Zukunft Personal


Die Zukunft Personal in Köln ist Europas größte Messe für Personalmanagement. Das Themenspektrum reicht von Recruiting und Personaldienstleistungen über betriebliche Weiterbildung, Leadership und Arbeitsrecht bis hin zu Personal-Software und der Zukunft der Arbeitswelt. Die Leitmesse für das Human Resource Management bietet ein einzigartiges Begleitprogramm auf Kongressniveau – mit Vorträgen, Diskussionen und verschiedenen interaktiven Formaten. Drei Tage lang stehen innovative Lösungen und Networking in der Personal-Community im Mittelpunkt: Geschäftsführer, Personalverantwortliche, Mitarbeiter von Personalabteilungen und Organisationsentwickler verschaffen sich auf der Zukunft Personal einen Überblick über den Markt an Produkten und Dienstleistungen und tauschen sich mit Gleichgesinnten über die Trends in der Personalarbeit aus.

Nächster Termin: 19. bis 21. September 2017

Weitere Informationen: www.zukunft-personal.de

Bildquelle: fotolia / Jacob Lund