print logo

Was heisst eigentlich gutes Verkaufen? Teil 9

Der Fachverkäufer neigt dazu, den Kunden zu überinformieren. Es kommt darauf an zu erkennen, wann der Kunde kaufbereit ist.
Ulf D. Posé | 16.03.2016
DIE KAUFSIGNALE ERKENNEN

Bernd Fleischer hat eine neue Wohnung bezogen. Sein Wohnzimmer ist recht geräumig. Bernd hört sehr gern Musik und hat sich überlegt, ob er sich nicht eine neue Stereoanlage leisten soll. In verschiedenen HI-FI-Unterlagen hat er schon geblättert, sich informiert. Am Samstag hat er frei und fährt in die Stadt. Er geht in ein Fachgeschäft für Hi-Fi Anlagen. Er fängt gerade an sich umzuschauen, als einer der Fachverkäufer auf ihn zukommt. „Kann ich Ihnen behilflich sein“, fragt der Verkäufer. „Klar“, antwortet Bernd, „ich hätte gern eine HI-FI-Anlage.“ Der Verkäufer nickt: „Haben Sie schon eine Vorstellung?“ Bernd hat eine Vorstellung: „Ja, ich hätte gern so einen HI-FI-Turm, mit Verstärker, Radioteil, Kassettendeck, CD-Player, und am besten noch mit einem Plattenspieler für meine alten Schallplatten.“ Der Verkäufer führt ihn in einen Show-Room. Dort stehen verschiedene Anlagen, auch solche HI-FI-Türme. Der Verkäufer verklärt ihm die verschiedenen Anlagen, führt ihren Sound vor, und beschreibt die einzelnen Vorteile. Bernd ist von einer Anlage sehr angetan. Sie sieht gut aus, hat alle Geräte, die erwünscht, und ist auch preislich in dem Rahmen, den er sich vorgestellt hatte. Aber er weiß nicht so recht. Er überlegt hin und her. Während er dies tut, fällt sein Blick auf die Stereoboxen. Sie erscheinen ihm etwas klein, etwas sehr kompakt. Also fragt er zweifelnd: „Meinen Sie, dass diese Boxen für die Beschallung meines Wohnzimmers ausreichen?“ „Wie groß ist denn ihr Wohnzimmer“, fragt der Verkäufer zurück. Bernd überlegt: „Etwa vierzig Quadratmeter.“ Der Verkäufer wiegt den Kopf hin und her: „Tja, kommt darauf an. Was haben Sie denn für einen Boden?“ „Einen Boden? Wie meinen Sie das?“ Bernd ist verwirrt. Was soll der Boden schon für eine Rolle spielen. „“Tja“, meint der Verkäufer, der Boden spielt schon eine Rolle. Es ist ein Klangunterschied, ob Sie einen Parkett-, oder Steinfußboden haben. Oder haben Sie Teppichboden?“ Bernd nickt: „Ich habe Teppichboden verlegt.“ „O.K.“, antwortet der Verkäufer, „dann kommt es nur noch darauf an, ob Sie hochflorigen oder niedrigflorigen Teppichboden haben.“

Jetzt ist Bernd durcheinander: „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Woran erkennt man das denn?“ Der Verkäufer wehrt ab: „Ach nicht so wichtig, Sie müssen die Boxen ja nicht auf den Boden stellen, Sie können Sie auch an der Wand anbringen. Allerdings sollten die Lautsprecher dann etwas in Kopfhöhe angebracht werden, und sie sollten mindestens drei Meter von Ihrem Sitzplatz und nicht mehr als vier Meter fünfzig. Das gilt allerdings nicht für die Bassbox, die sollten Sie auf den Boden stellen, wegen des Schwingungsverhaltens, wissen Sie.“ Bernd bedankt sich: „Das ist aber interessant. Tja, hätten Sie noch Prospektmaterial für mich?“ Er bekommt einige Prospekte, verabschiedet sich, und geht völlig verwirrt weiter durch die Stadt. „So ein Pech auch“, denkt er, wie gern hätte er am Abend schon Musik gehört. Während er weiter geht, kommt er an einem großen Kaufhaus vorbei. Dort sieht er im Schaufenster Stereoanlagen ausgestellt. Er beschließt, sich diese anzuschauen. Auch hier werden ihm verschiedene Anlagen erläutert. Eine scheint zu passen, jedoch sind auch für diese Anlage recht kleine Kompaktlautsprecher vorgesehen. Er fragt auch hier die Verkäuferin: „Sagen Sie mal, meinen Sie, diese kleinen Boxen reichen für die Beschallung einer Wohnzimmers von circa vierzig Quadratmetern?“ Die Verkäuferin zögert keine Sekunde: „Aber klar doch. Die Frage ist jetzt nur noch, ob unser Kundendienst Ihnen die Anlage zuhause aufstellen soll, oder ob Sie sie gleich mitnehmen wollen. Der Anschluss ist kinderleicht durch das farbige Stecksystem.“ Bernd ist begeistert, seine Bedenken sind zerstreut. Er kauft die Anlage, und am Abend hört er mit großem Vergnügen seine Lieblingsschallplatten.
Was ist hier passiert? Warum hat Bernd im Fachgeschäft nicht gekauft, und im Kaufhaus gern zugegriffen? Das Problem ist, gerade wenn ein Verkäufer besonders viel weiß über seien Produkte, besteht die große Gefahr, dass er seine Kunden nicht kaufen lässt, weil er erst einmal loswerden will, was er über seine Produkte weiß. Bei der persönlichen Begeisterung über das eigene Wissen zerreden nicht trainierte Berater viel zu oft die Kaufbereitschaftsfragen der Kunden.

Die Phasen des Verkaufsgesprächs.

In jedem Verkaufsgespräch gibt es verschiedene Phasen. Ein Verkäufer muss in der ersten Phase den Kunden informieren. Dann benötigt er in der zweiten Phase Argumente, die den Kunden überzeugen. In der dritten Phase will der Kunde motiviert, begeistert werden für ein Produkt. Dann folgt die vierte Phase, die beim Kunden nicht selten durch eine letzte, kleine Hemmschwelle gekennzeichnet ist. Der Kunde befindet sich am Rande seiner Entscheidung. Er fragt sich: „Soll ich? Soll ich nicht?“ Dieser Moment des inneren Hin- und Herhüpfens ist die Phase, in der ein Kunde nur noch animiert werden sollte. Er benötigt keine Argumente, keine Informationen mehr. Er will auch nicht mehr überzeugt werden, er ist es längst, er weiß nur nicht, ob er zusagen soll. Diese innere kleine Unsicherheit äußert der Kunde laut und deutlich. Der Verkäufer muss diese Äußerungen jedoch auch verstehen. Aussagen der Unsicherheit sind Sätze wie:

„Meinen Sie das klappt auch?“
„Denken Sie, dass ich damit auch wirklich zu recht komme?“
“Hilft Ihr Vorschlag auch wirklich?”
“Ist das denn auch gut?”
“Kann ich mich auf die Stabilität verlassen?”
“Meinen Sie wirklich...?”
“Machen das vergleichbare Unternehmen auch so?”

An diesen Aussagen ist leicht zu erkennen, dass der Kunde nur noch letzte, leichte Bedenken hat. Er wartet eigentlich nur noch darauf, dass diese Bedenken zerstreut werden. Dazu benötigt der Kunde keine Informationen oder Argumente mehr,. Er benötigt ein kurzes Ja oder Nein, vielleicht noch einen knappen Satz, eines kleinen Anstoßes, um dem Kunden über die letzte Schwelle hinwegzuhelfen. Diese Kaufbereitschaftsfragen werden immer in der Endphase eines Gesprächs derart geäußert, dass man die nur laut ausgesprochene Unsicherheit des Kunden fühlt. Allerdings darf ein Verkäufer nach der Beantwortung der letzten Bedenkensfrage nicht verharren, sonst produziert der Kunde weitere Bedenkensfragen. Hätte die Verkäuferin des Kaufhauses auf die Frage von Bernd: „Sagen Sie mal, meinen Sie, diese kleinen Boxen reichen für die Beschallung einer Wohnzimmers von circa vierzig Quadratmetern?“, nur gesagt: „Aber klar doch“, dann hätte Bernd eventuelle weiter gefragt: „Aha, aber spielt denn der Fußboden keine Rolle?“ Die Verkäuferin hätte vielleicht weiter argumentiert: „Nein, der Boden spielt beim Klang keine Rolle.“ Das Gespräch hätte endlos weiter gehen können. Bern hätte noch Bedenken geäußert zum Abstand, den die Boxen von seinem Sitzplatz haben müssen und so weiter. Im Verkaufsgespräch ist es sehr wichtig, nach der Beantwortung der Bedenkensfrage nicht zu verharren, abzuwarten, ob der Kunde sich jetzt entscheidet, der Kunde will durch eine Entscheidungsfrage animiert werden. Daher muss an die Beantwortung der Kundenbedenken sofort die Entscheidungsfrage angehängt werden.

Fazit:

Kunden äußern in der letzten Phase des Verkaufsgesprächs leichte Bedenken. Sie werden oft geäußert, weil der Kunde sich noch nicht ganz sicher ist. Diese Unsicherheit gilt es zu zerstreuen durch eine kurze, knappe Antwort, manchmal nur durch ein Ja oder Nein. Ist die Antwort langatmig, von weiteren Argumenten und Informationen durchsetzt, wird die Bereitschaft des Kunden, sich zu entscheiden zerstört, der Kunde wird durch diese neuen Informationen nur verwirrt. Daher wird dem Kunden die Entscheidungsfrage gestellt, damit nicht noch weitere Bedenkensfragen erzeugt werden.

Wenn Sie mehr fahren wollen: lesen Sie mein Buch "Von der Wildsau zum Trüffelschwein"...