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Der Preis bleibt heiß

Markenartikler verlieren Kompetenz in der Preisdefinition für ihre Produkte gegenüber dem Handel und sollten dabei schnell und nachhaltig umsteuern
Rolf Klein | 26.07.2017
Die digitale Transformation bestimmt die Agenden der Markenverantwortlichen. Dabei werden auch bewährte Prinzipien wie die 4Ps (Product, Price, Place, Promotion) des Marketing-Mix in Frage gestellt. Dabei bleibt unbestritten der Preis der größte Wertschöpfungshebel für die Kapitalisierung des Marken- und Produktwertes. Im Konsumgüterbereich hat der Handel dabei rechtlich das letzte Wort, doch inzwischen auch vielfach Unternehmen oder ganzen Branchen das Heft aus der Hand genommen. Höchste Zeit zur Umkehr.

Der schleichende Verlust
Die unverbindliche Preisempfehlung eines Endverbraucherpreises ist das rechtlich zulässige Votum des Markenartiklers in Märkten mit freier Preisbildung über den Wert seines jeweiligen Angebotes. Doch Wunsch und Wirklichkeit liegen dabei oft weit auseinander. Zum einen weil das Prinzip Preis eben nicht mehr Kern des Marketing-Mix ist. Nicht selten werden UVPs durch das Controlling in einem cost plus-Verfahren definiert, eine übliche Handelsspanne draufgeschlagen, noch ein Blick auf Wettbewerb sowie Referenzprodukte im Sortiment und fertig ist die Wunschvorstellung. Von Preis-sensitivitätsuntersuchungen oder Preisbereitschaftstests mit relevanten Zielgruppen, die den Preis letztlich akzeptieren sollen, vielfach Fehlanzeige. Geschweige denn von Kenntnissen über Preiselastizitäten gegenüber eigenen Angeboten.

Auf der anderen Seite der Wettbewerbsdruck innerhalb der Kanäle im Handel mit neuen Online-Playern, die eine völlig andere Preisbildungsphilosophie verfolgen. Mit zunehmender Promotionlautstärke, um in Multichannels überhaupt noch durchzudringen und bereitwilliger Unterstützung von Industrieseite, um die Volumenziele zu erreichen. Mit dem Ergebnis, dass sich die reale Preiswahrnehmung und -bereitschaft immer weiter von der Wunsch-UVP entfernt.

Baustellen beseitigen
Kein Controlling und nicht einmal der Vertrieb kann unter dem Eindruck der Kosten bzw. der Preiswahrheit im Handel die reale Preisbereitschaft des Konsumenten einschätzen. Ein Marketing, das sich analytisch mit dem Verbraucher beschäftigt, sollte diese Lücke füllen. Stützt es sich dabei zunehmend auf inzwischen große Mengen generierbarer Shopperdaten, ist das eine gefährliche Fehlentwicklung. Bei Shopperdaten (was hat wer wann) hat der Handel systemimmanent immer die Nase vorn. Will der Markenartikler seinen Kompetenzvorsprung behalten, muss er in Verbraucher-Insights (warum hat wer was) investieren. Denn das wird der Handel auch zukünftig in der Tiefe eines Branchenspezialisten nicht leisten können.

Weiterhin muss der Preisarchitektur des eigenen Sortimentes wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Zu schnell sind Artikel in Preisgruppen zusammengefasst, um Promotions zu erleichtern, zu selten sind wahrnehmbare added values eingepreist und im Vergleich zu Basisprodukten oder Packungsgrößen richtig differenziert. Insbesondere nach Phasen mit punktuellen Preisveränderungen im Sortiment, um Umsetzungsdruck abzufedern.

Natürlich muss das -offline wie online- durch das Nadelöhr Handel. Die Kräfte, die dort auf den abschließenden Preis wirken, sind jedoch steuerbar. Durch die richtigen Ausgangspreise pro Kanal, die richtige Incentivierung qua Konditionen auf den relevanten Businessdrivern online wie offline und Transparenz über den Wertschöpfungsbeitrag von Promotions. Und zwar über den reinen Umsatzuplift hinaus.

Einfluss zurückerobern
Mit einer Preisliste, die wahrgenommenen Nutzen der Marke und der Produkte durch den Verbraucher wiederspiegelt und Verkaufsargumenten, die weniger vom aktuellen Kaufverhalten als von echten Verwendungsmotiven und Preisbereitschaften beeinflusst sind sowie die möglichen Einflüsse durch Interessen der Händler vorwegdenken.

Dazu ein Konditionssystem, dass auf kanalspezifische Unterschiede eingeht, werterhaltende Businessdriver fokussiert und auf klare Gegenleistungen abstellt. Gepaart mit einer Promotionstrategie, die nur auf Preistaktiken setzt, wenn ein positiver ROI nachweisbar ist.

Dafür gibt es bereits Methoden, Instrumente und Best Practises. Doch entscheidend ist -wie oft- zunächst die Selbsterkenntnis und dann der Wille, den notwendigen Veränderungsprozess einzuleiten. Der nächste Versuch, neue Preise durchzusetzen wird zeigen, wie weit ein Unternehmen dabei ist.

Für Hilfestellungen dazu stehe ich gern zur Verfügung: rolf.klein@erkabe.com