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Networking-Plattformen richtig nutzen

Internetbasierte Networking-Plattformen haben in den letzten Jahren Millionen von Mitgliedern gewonnen. (Buchbeitrag)
Andreas Lutz | 07.04.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
http://buchblog.marketing-boerse.de
http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenOM


Internetbasierte Networking-Plattformen haben in den letzten Jahren Millionen von Mitgliedern gewonnen und sich zu einem unverzichtbaren Element unseres Arbeits-alltags entwickelt. Von all den Plattformen, an die wir beim Schlagwort „Web 2.0“ denken - Myspace, Youtube, Flickr, StudiVZ – haben Business-Networking-Plattformen wie Xing.com dabei für die Leser dieses Buches sicher die größte persönliche und geschäftliche Relevanz. Gemeinsam ist all diesen Plattformen, dass die Nutzer die Inhalte selbst produzieren und auch selbst zum Inhalt werden. Nie wurde das deutlicher als zum Jahreswechsel 2006/2007: Das Time Magazine bildete als Person des Jahres kein Porträt ab, sondern ließ eine Spiegelfolie auf das Cover kleben.


Networking-Plattformen: Kategorisierungsvorschläge

Angesichts der Vielzahl von Plattformen mit unterschiedlichsten Zielgruppen und Konzepten, aber letztlich doch einer großen Schnittmenge gemeinsamer Funktionen verliert man leicht den Überblick. Wenn man die verschiedenen Social Software Sites in einem Portfolio positionieren wollte, so würden sich die beiden folgenden Achsen anbieten:

Privat versus Geschäftlich: An den entgegengesetzten Enden dieser Achse liegen Business-Networking-Plattformen einerseits und Dating-Plattformen andererseits. Ihre Funktionalität ist überraschend ähnlich. Sie unterscheiden sich vor allem in der Art der Inhalte, der Fotos und Diskussionsthemen.

Inhalt versus Person: Bei Angeboten wie Myspace, Youtube und Flickr steht eher der Upload von Musik, Filmen, Fotos, also Multimedia-Inhalten im Vordergrund, bei Dating- und Networking-Plattformen sind es die Mitglieder und ihre Beziehungen untereinander.

Die Übergänge sind fließend. Es geht beim Content auch um die Person: Multimedia wird genutzt, um sich selbst als Person zu präsentieren oder auszudrücken, die eigenen medialen Fähigkeiten zu vermitteln, mindestens aber darum, den eigenen Geschmack deutlich zu machen. Und beim Networking sind Privates und Geschäftliches oft nur schwer zu trennen – gute Netzwerker legen sogar besonderen Wert darauf, sich auch von der privaten Seite zu zeigen, weil sie nur so wirklich authentisch wirken.

Wenn Dating-, Multimedia- und Business-Netzwerke die extremen Positionen unseres Portfolios abdecken, so liegen dazwischen noch einige weitere Cluster von Networking-Plattformen:

Für Schüler und Studenten: Nach dem Vorbild von Facebook entstand StudiVZ, was wiederum ähnliche Plattformen für Schüler inspiriert hat.

Für geschlossene Gruppen: aSmallWorld.net nimmt Mitglieder nur auf Empfehlung auf, ManagerLounge.com konzentriert sich auf Führungskräfte.

Gemeinsame Hobbies/private Interessen: Es gibt Plattformen für Hunde-, Katzen- und Hamsterbesitzer, für Autoliebhaber und Segler, für Bücher- und Musikbegeisterte.

Rund um Veranstaltungen: Ahnherr ist hier Firsttuesday, heute übrigens eine Xing-Beteiligung. Veranstalter von Visitenkartenparties (visitenkartenparty.biz), von Frühstücks- und Mittagsrunden (lunchclub.de) nutzen das Internet zur Vor- und Nachbereitung ihrer Veranstaltungen.

Für bestimmte Lebensphasen: Kommunikationsbedarf, Auch der Eintritt in eine neue Lebensphase schafft deshalb gibt es Netzwerke für Mütter, Familien, Ältere zum Beispiel Eltern.de, paulsmama.de, mamiweb.de oder familyone.de.


Networking ist nicht verkaufen

Aufträge, Jobs, Karriere – all das kommt fast wie von selbst, wenn Sie über ein gutes Netzwerk verfügen. Doch umgekehrt gilt auch: Je mehr Sie sich auf diese geschäftlichen Ziele fixieren, umso schwerer wird es Ihnen fallen, sie zu erreichen. Setzen Sie sich deshalb beim Networking nie unter den Druck, etwas verkaufen zu müssen. Nehmen Sie sich die Zeit, Ihren Gesprächspartner erst einmal kennen zu lernen. Dazu gehört, dass Sie ihm Fragen stellen und sich auch für seine Antworten interessieren. Das heißt aber nicht, dass Sie nicht im geeigneten Moment selbstbewusst berichten sollten, was Sie beruflich tun. Ziel ist aber nicht, dass der unmittelbare Gesprächspartner etwas von Ihnen kauft, sondern dass er Sie in guter Erinnerung behält. Dann wird er sich bei Ihnen melden oder Sie weiterempfehlen, wenn bei ihm oder seinen Bekannten der entsprechende Bedarf entsteht. Das ist der Grund dafür, dass manche Xing-Mitglieder zögern, wenn Sie sie fragen, wie viel Geschäft sich für sie unmittelbar aus Xing heraus ergeben hat: Oft haben sie über Xing zwar auch Kunden kennen gelernt, ihre wichtigsten Kontakte sind aber Kooperationspartner, Multiplikatoren und andere Fürsprecher, die mittelbar Kunden bringen und zum Unternehmenserfolg beitragen. Das heißt nun aber nicht, dass es über Xing nicht möglich wäre, potenzielle Kunden auch direkt anzusprechen: Insofern ist es mehr als nur eine reine Networking-Plattform.


Funktionsweise einer Networking-Plattform am Beispiel Xing.com

Das Herzstück heutiger Networking-Plattformen sind die Profilseiten, auf denen sich die Mitglieder präsentieren. Das Profil wird im Rahmen der Registrierung ausgefüllt. Anschließend kann das Mitglied sofort von anderen Nutzern gefunden werden. Schon durch die geschickte Formulierung des Profils, die Verwendung eines attraktiven Fotos, die Nutzung zusätzlicher Features wie der „Über mich“-Seite können Sie die Anzahl der Klicks auf Ihr Profil und die Qualität der resultierenden Kontaktaufnahmen wesentlich erhöhen. Neben dem unmittelbaren Eindruck, den Ihr Profil auf einen Leser macht ist dabei insbesondere zu bedenken, unter welchen Suchbegriffen Sie gefunden werden wollen und mit welchen Informationen Sie in der Suchergebnisliste erscheinen.

Mächtige Suchfunktionen erlauben es, unter den Millionen von Profilen Listen derjenigen Menschen zu generieren, die ganz bestimmten Kriterien entsprechen, zum Beispiel potenzielle Kunden sind, gemeinsame Interessen teilen oder aus derselben Region stammen. Sie können Suchergebnisse auch abonnieren und sich regelmäßig über neue Mitglieder informieren lassen, die den gespeicherten Suchkriterien entsprechen. Wirklich mächtig sind auch die verschiedenen Funktionen der Powersuche: Sie können sich informieren, wer Interesse an Ihnen gezeigt hat, indem er auf Ihr Profil, Ihre „Über mich“-Seite oder Ihren Weblink geklickt hat. Blitzschnell finden Sie auch ehemalige Kollegen, Mitglieder gleicher Organisationen oder solche mit vielen gemeinsamen Bekannten. Sie können sich teilweise sogar per RSS-Feed benachrichtigen lassen, wenn zum Beispiel ein Bekannter den Arbeitgeber oder die Position wechselt. Auch an Geburtstage werden Sie erinnert.

Xing verfügt – wie fast alle Networkingplattformen – auch über ein internes Mailsystem. Nachteil: Sie erhalten einen weiteren Posteingangskorb, den Sie regelmäßig überprüfen müssen. Vorteil: Sie können mit anderen Xing-Mitgliedern kommunizieren, ohne deren E-Mail-Adresse zu besitzen und ohne ihre eigene preisgeben zu müssen. Ihre privaten und geschäftlichen Kontaktdaten, die Handynummer und das Geburtsdatum sind zunächst für kein anderes Mitglied sichtbar. Erst wenn Sie diese Informationen individuell freigegeben haben, werden sie diesem Mitglied angezeigt. Es ist so, als ob Sie virtuell eine Visitenkarte übergeben, wobei Sie jedesmal bestimmen können, welche Angaben genau sie enthält.

Oberhalb des Profils anderer Nutzer finden Sie das – meines Erachtens wichtigste – Xing-Feature: Die Kontaktkette zeigt, über welche anderen Mitglieder Sie diese Person kennen. Wenn Sie viele Kontakte auf Xing besitzen, wird es oft passieren, dass Sie eine oder mehrere gemeinsame Bekannte haben. Das ermöglicht es Ihnen, diese Bekannten zu der entsprechenden Person zu befragen oder darum zu bitten, den Kontakt herzustellen. Oder Sie rufen einfach mit Verweis auf die gemeinsamen Bekannten direkt an. Das Profil der Zielperson bietet darüber hinaus weitere Gemeinsamkeiten und somit Gesprächsstoff. Kontakte kommen zustande, indem einer der Beteiligten im Profil des anderen auf „Als Kontakt hinzufügen“ klickt und der andere diesem Kontaktwunsch zustimmt. Wenn Sie eine Kontaktanfrage ablehnen, wird der Anfragende darüber nicht informiert, der Kontaktwunsch bleibt einfach unbestätigt.

Zu jedem Kontakt können Sie auch Notizen anlegen. Sie werden automatisch mit dem Eingabedatum versehen, eignen sich also hervorragend zum Anlegen einer Kontakthistorie. Direkte Kontakte können Sie zusätzlich mit frei gewählten Tags („Etiketten“) versehen, um Kontakte einer bestimmten Kategorie wie „München“, „Interessent“, „Empfehler“ schnell herausfiltern zu können.

Neben den Profilen und ihren Verknüpfungen untereinander entsteht bei Xing der meiste Content im Bereich der mehreren tausend Gruppen. Im Grunde handelt es sich dabei um nichts anderes als Diskussionsforen, wobei jedoch jeder Beitrag mit dem Profil des Urhebers verknüpft ist, so dass sich der Leser ein Bild von dessen Kompetenz machen kann. Außerdem lässt sich die Mitgliederliste der Gruppe nach verschiedenen Kriterien anzeigen. Große Gruppen wie das von mir moderierte „Netzwerk für Gründer und Selbständige“ erreichen über 30.000 Mitglieder und sind ein hervorragendes Instrument zur Kundenbindung.

Im Bereich Termine können private oder öffentliche Termine angelegt werden. Es lassen sich gezielt andere Xing-Mitglieder und via E-Mail auch Nicht-Mitglieder einladen, die mit ja/nein/vielleicht sowie einem Kommentar reagieren können. Das System hält die resultierende Einladungsliste aktuell, nimmt dem Veranstalter also sehr viel Arbeit ab. Mitglieder mit vielen Kontakten und Moderatoren von Gruppen sind im Vorteil: Sie können ihre Kontakte und Gruppenmitglieder automatisch einladen. Durch Verwendung der zuvor angelegten Tags lässt sich die Liste zum Beispiel nach einer bestimmten Region oder nach beliebigen anderen Kriterien filtern.

Im Marketplace können die Mitglieder Stellen, Dienstleistungen und Immobilien anbieten und suchen. Neben den vielfältigen Suchfunktionen (auch unter Nutzung von Tags) bietet Xing weitere Vorteile: Anhand des Kontaktpfads zum Personaler oder künftigen Chef lässt sich leicht erkennen, ob es gemeinsame Bekannte gibt. Auch eine Suche nach anderen Mitarbeitern des Unternehmens ist hilfreich. Außerdem lässt sich eine gefundene Stelle auch ganz schnell an eigene Kontakte empfehlen, die auf Stellensuche sind.


Beispiele geschäftlicher Nutzung einer Networking-Plattform

1. Wenn mich jemand anruft, frage ich, ob er oder sie ein Xing-Profil hat. Vorteil: Ich kann mir im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild vom Gesprächspartner machen, finde zusätzliche Informationen und Anknüpfungspunkte. Nach der Kontaktfreigabe kann ich den Kontakt direkt als vCard in Outlook übernehmen.

2. Xing als Telefonbuch: Ich muss mein Adressbuch nicht mehr pflegen, denn jedes aktive Mitglied hält seine Kontaktdaten selbst aktuell. Das ist besonders praktisch bei entfernteren Bekannten, etwa ehemaligen Arbeitskollegen oder Schul- und Studienfreunden, mit denen man via Xing leicht wieder in Kontakt treten kann.

3. Xing erleichtert die Kontaktpflege, die all zu oft aus Zeitgründen vernachlässigt wird. Es erinnert an die Geburtstage der direkten Kontakte, informiert wenn ein Kontakt die Stelle wechselt oder befördert wird, unterstützt das Empfehlen interessanter Stellenangebote, zeigt mit wem man viele gemeinsame Bekannte teilt, ermöglicht es umgekehrt auch, zwei Kontakte einander vorzustellen oder einen an den anderen zum empfehlen.

4. Auf Xing sind enorm viele potenzielle Geschäftskunden. Man kann gezielt nach neuen Mitgliedern suchen und sich sogar über jedes neue Mitglied informieren lassen, das dem Suchraster entspricht. Und diese Kontakte kann man dann ganz gezielt kontaktieren.

5. Gatekeeper umschiffen: Über die Telefonzentrale ist es oft schwer, den richtigen Ansprechpartner herauszufinden, geschweige denn verbunden zu werden. Über Xing kann man den richtigen Ansprechpartner gezielt ermitteln und direkt bei ihm anrufen.

6. Das Einladungsmanagement vereinfacht die Organisation von Veranstaltungen. Das beste Beispiel sind die vielfältigen und gut besuchten Xing-Regionaltreffen, die eine hervorragende Gelegenheit sind, andere Mitglieder real kennenzulernen.

7. Wer der Kontaktaufnahme auf Xing zustimmt, erlaubt Permission-Marketing in eigener Sache: Mitglieder dürfen ihre Kontakte gezielt zu Veranstaltungen anschreiben.

8. Zusammenarbeit über Städte- und Ländergrenzen hinweg: Xing hat Mitglieder in mehr als 200 Ländern. So findet man im Ausland schnell Kooperationspartner und auch private Kontakte. Bei Geschäftsreisen in Deutschland schaue ich, welche Kontakte ich bei dieser Gelegenheit persönlich kennenlernen könnte.

9. Gruppen eignen sich hervorragend, um sich schnell über ein Thema zu informieren und Experten zu finden. Durch hilfreiche Beiträge können Sie sich auch selbst als Experte positionieren. Viele Teilnehmer recherchieren gezielt in den Gruppen nach potenziellen Dienstleistern. Die Moderatoren einer Gruppe genießen natürlich eine besonders große Sichtbarkeit in den Foren und haben außerdem Möglichkeiten des Permission-Marketing: Bis zum Widerruf stimmen die Mitglieder nämlich zu, dass der Moderator ihnen Newsletter und Veranstaltungseinladungen zuschicken darf.

10. Wer sich auf Xing aussagekräftig präsentiert und über die eigenen Kontakte auch viele indirekte Kontakte besitzt, schafft damit Vertrauen. Das ist besonders wichtig bei der Stellensuche – der künftige Arbeitgeber kann sich gezielt über den neuen Mitarbeiter informieren, auch indem er gemeinsame Bekannte befragt. Auch Journalisten nutzen Xing intensiv, um gezielt Experten für Hintergrundgespräche und Interviews zu finden.


Literatur

Keith Ferrazzi: Never Eat Alone. - 320 Seiten, ISBN: 978-0385512053, Random House Inc., Februar 2005.
Stephan Lamprecht: Xing- Das Buch. Netzwerken leicht gemacht. - 167 Seiten, ISBN: 978-3936931433, Heise, 2. Auflage, April 2007.
Andreas Lutz: Praxisbuch Networking. Erfolgreich Beziehungen aufbauen. - 172 Seiten, ISBN: 978-3709300848, Seite 99 -117 speziell zu Xing, Wien, Linde-Verlag, 2005.
Thomas Malischewski, Frank Thiel: Beziehungsmanagement. Relating - die Kunst, gute Beziehungen aufzubauen. - 144 Seiten, ISBN: 978-3897495036, Gabal, 2005.
Monika Scheddin: Erfolgsstrategie Networking. - 275 Seiten, ISBN: 978-3821476476, Bw Verlag, 2005.
Uwe Scheler: Erfolgsfaktor Networking. - 274 Seiten, ISBN: 978-3492245371, Piper-Verlag, 2005.
Tim Templeton: Net-Working, das sich auszahlt. - Gabal, 2004.