print logo

Managerinnen steigen aus – Potential geht der Wirtschaft verloren

In Berlin präsentierte der EWMD die Ergebnisse seiner Studie „Managerinnen 50plus“.
„50plus“ – diese Lebensphase bedeutet schon lange nicht mehr den Einstieg in den beruflichen Ausstieg. Im Gegenteil: Mit Anfang 50 haben deutsche Arbeitnehmer noch viele Jahre Berufstätigkeit vor sich. Führungskräfte können in diesem Alter die Weichen für die Karriere noch einmal neu stellen. Doch insbesondere weibliche Führungskräfte starten oftmals nicht durch. Ihre Karriere stagniert plötzlich – ohne Aussicht auf eine Spitzenposition in Vorstand oder Aufsichtsrat. Die fehlende Anerkennung ihres Engagements und ihrer Leistungen führt zu einer großen beruflichen Unzufriedenheit bei den Managerinnen, auf die sie entweder mit Kampf, Resignation oder Ausstieg reagieren. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie „Managerinnen 50plus: Karrierekorrekturen beruflich erfolgreicher Frauen in der Lebensmitte“, die das internationale Managerinnen-Netzwerk EWMD am vergangenen Dienstag in Berlin präsentierte.

„Wir wollten wissen: Wie fühlen sich Managerinnen um die Fünfzig? Wie beurteilen sie ihre Karriere – und warum steigen so viele aus, obwohl sie es doch schon eigentlich bis fast nach ganz oben geschafft haben?“, so Marion Diehr, Vorstandsmitglied EWMD Berlin/Brandenburg. Der EWMD beauftragte daher Professorin Dr. Christiane Funken vom Institut für Soziologie der Technischen Universität Berlin mit einer Studie zum Thema „Managerinnen 50plus“.


Die Problematik sei bislang weder erforscht noch hinreichend bekannt, so Initiatorin Diehr. „Die Zielgruppe der Managerinnen über 50 Jahren galt bislang als „Terra incognita“ – die Studie ist der Versuch, erstmals den Zusammenhang von Alter, Berufstätigkeit und Geschlecht zu untersuchen.“
Obwohl das Thema bislang in der öffentlichen Meinung unterrepräsentiert ist, zeigte das enorme Interesse, dass der EWMD einen Nerv getroffen hat: Rund 200 Journalisten, Pressevertreter und Interessierte aus der gesamten Republik waren zu der Präsentation der Studienergebnisse in die Räume der hessischen Landesvertretung nach Berlin gekommen.

„Jahrzehnt der Älteren“
Auch Dr. Hilmar Schneider, Direktor für Arbeitsmarktpolitik am Institut zur Zukunft der Arbeit in Bonn, bestätigte die aktuelle Brisanz des Themas. „Vor uns liegt das Jahrzehnt der Älteren. Der Anteil der über 50-Jährigen Erwerbstätigen wird von heute 30 Prozent bis zum Jahr 2020 auf 37 Prozent steigen. Unternehmen müssen also reagieren und die Personalentwicklung auch auf die Bedürfnisse ihrer älteren Mitarbeiter einstellen, um ihre Arbeitskraft und ihr Wissen langfristig an sich zu binden.“ Dass dies vor allem bei den weiblichen Führungskräften bislang größtenteils versäumt wird, zeigten die anschließenden Ausführungen von Professorin Dr. Christiane Funken, Autorin und wissenschaftliche Leiterin der Studie.
Im Rahmen der Untersuchung hatte sie 30 weibliche Führungskräfte im Alter von 45 bis 55 Jahren zu ihrer beruflichen Vergangenheit und Zukunft befragt. Alle Frauen sind als Managerinnen in mittleren und großen deutschen Unternehmen unterschiedlicher Branchen tätig, hoch qualifiziert und haben neben dem Arbeitsalltag meist noch weitere berufliche Qualifikationen erworben. „Besonders auffällig ist, dass sich alle Frauen in einer intensiven Reflexionsphase über ihren beruflichen Werdegang befinden und sehr genau darüber nachdenken, wie sie die verbleibende Arbeitszeit gestalten wollen, welche Möglichkeiten ihnen ihr Arbeitgeber dazu bietet – oder eben gerade nicht.“

„No return on investment“
Das Problem: Während für Männer in dieser beruflichen Phase ein Posten im Aufsichtsrat oder Vorstand ansteht, treten die Managerinnen auf der Stelle. „Sie haben es durch jahrelangen Einsatz und Begabung in eine vergleichbar hohe Management-Position geschafft. Doch dann geht es nicht weiter – obwohl sie bestens qualifiziert sind und im Unternehmen durchaus noch hierarchische Stufen zu erklimmen wären.“ Die Managerinnen, die ihre bisherige Position nur durch hohe Investitionen in die berufliche Laufbahn und durch Opfer im Privatleben erreicht haben, kommen daher zu dem Schluss, dass sich ihre Investitionen nicht auszahlen: Sie haben alles „richtig“ gemacht und gelangen trotzdem nicht an ihr Ziel. Das Fazit von Professorin Funken: „Die Managerinnen erfahren „no return on investment“ – dies führt zu einer hohen Frustration bei den weiblichen Führungskräften. Das machen diese auf Dauer nicht mit.“

Die Kämpferin, die Resignierte, die Aussteigerin
Laut Professor Funken lassen sich innerhalb der Reaktionen drei verschiedene Typen ausmachen: Rund 40 Prozent der Befragten nehmen den Kampf gegen die verkrusteten Strukturen innerhalb des Unternehmens auf und versuchen, die „gläserne Decke“ von innen heraus aufzubrechen. 30 Prozent resignieren und machen nur noch „Dienst nach Vorschrift“, was einer inneren Kündigung entspricht. Die restlichen 30 Prozent bezeichnet Funken als „Aussteiger“, sie machen sich selbstständig oder gehen in ein neues Unternehmen – ihr Wissen und ihre Erfahrungen nehmen sie dabei mit.

Ob Kämpferin, Resignierte oder Aussteigerin: „Das Potential, das der deutschen Wirtschaft verloren geht, ist enorm – und daher handelt es sich hier auch nicht im individuelles Problem der Managerinnen, sondern um ein Phänomen, das ökonomische, volkswirtschaftliche und gesellschaftspolitische Auswirkungen hat“, so Dr. Hermann Kues, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das die Erstellung der Studie gefördert hatte.

Wege durch die „gläserne Decke“
„Warum schaffen es weibliche Führungskräfte innerhalb eines Unternehmens so selten nach ganz oben? Und was können Wirtschaft und Politik dagegen unternehmen?“, fragte Moderatorin und Journalistin Birgit Schönberger daher die Teilnehmer der anschließenden Podiumsdiskussion. Neben den Referenten Prof. Dr. Funken und Dr. Schneider diskutierten darüber auch Dr. Brigitte Lammers, Personalberaterin bei Egon Zehnder International, Harald Winkler, Geschäftsführer der Managementberatung „Power of Excellence“, Maren Heinzerling, Diplom-Ingenieurin und Mitglied des deutschen Akademikerinnenbundes, sowie Eva Maria Welskop-Deffaa, Ministerialdirektorin und Leiterin der Abteilung Gleichstellung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Heinzerling schlug dabei zum Beispiel ganz konkret vor, Führungspositionen innerhalb eines Unternehmens mit einer Tandemspitze aus Mann und Frau zu besetzen, um weibliche Macht selbstverständlicher zu machen und die Anerkennungsproblematik zu vermeiden.

Auftakt für weitere Forschung
„Mit der Studie haben wir wissenschaftliches Neuland betreten“, erklärte Diehr. Bislang sei die Zielgruppe der weiblichen Führungskräfte „50plus“ noch nicht erforscht worden. „Mit ihren 30 Tiefeninterviews ist die Studie eine Stichprobe zur Situation von Managerinnen über 50 Jahren in der deutschen Wirtschaft. Doch wenn die Gemeinsamkeiten so deutlich sind und sich darüber hinaus noch drei unterschiedliche Grundtypen aus der Gruppe ableiten lassen, können wir hier durchaus von einem Trend sprechen“, so die Sozialwissenschaftlerin.

„Diesen Trend wollen wir den Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politik aufzeigen“, erklärte auch Rena Bargsten nach der Veranstaltung. „Der EWMD möchte dazu beitragen, Frauen in Führungspositionen zu stärken und damit den nachhaltigen Erfolg von Unternehmen fördern. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, wo Handlungsbedarf bei der Personalentwicklung besteht - darauf werden wir vor allem die Unternehmen verstärkt hinweisen“, resümierte die Vorsitzende des EWMD Deutschland.

Die vollständige Studie „Managerinnen 50plus: Karrierekorrekturen beruflich erfolgreicher Frauen in der Lebensmitte“ steht unter bit.ly/j8dtwi zum kostenlosen Download bereit. Für weitere Informationen sowie den Kontakt zur Projektleiterin Marion Diehr steht auch die EWMD-Pressestelle Deutschland gerne zur Verfügung: pressestelle (at) ewmd.org .