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Wird der gesunde Menschenverstand im Alltag durch den übermäßigen Einsatz von Technik ausgebremst?

Ausgereizt!
Kurt-Georg Scheible | 04.04.2016
Der Duden definiert Intellekt als: „Fähigkeit, Vermögen, unter Einsatz des Denkens Erkenntnisse, Einsichten zu gewinnen; Denk-, Erkenntnisvermögen; Verstand“. Die Auseinandersetzung mit diesem Begriff geht bis auf die Zeit von Platon und Aristoteles zurück. Intellekt beschreibt die Fähigkeit, etwas geistig zu erfassen. Ebenso steht Intellekt für die „Instanz” im Menschen, die für das Erkennen und Denken zuständig ist. Intellekt wird oft mit Intelligenz verwechselt. Einfach gesagt: Intelligenz ist genutzter Intellekt. Intellekt ist der Verstand oder das Denkvermögen allgemein. Intelligenz ist Einsicht, Auffassungsgabe, Klugheit etc. Jeder Mensch hat einen Intellekt, aber ist nicht gleich intelligent.

Ohne Frage liegt bei allem ausufernden Verhalten Intellekt vor. Dann muss aber die Frage nach der Intelligenz gestellt werden. Hat also die Intelligenz in den letzten Jahren abgenommen? Der Einsatz von Technik bremst unseren Verstand offensichtlich ständig aus. Oft hört man von LKWs, die durch ihr Navigationsgerät buchstäblich in die Enge getrieben werden. Die Fahrer folgen den Anweisungen des Geräts, ohne zu reflektieren, ob die Straße, die ihnen empfohlen wird, überhaupt für einen großen Sattelzug geeignet ist. Wenn der LKW dann komplett in einer engen Gasse steckenbleibt, es weder vorwärts noch rückwärts geht, erst dann wird die Fehlinterpretation der Navigation realisiert. Hilfe muss geholt werden.

Manchmal geht das sogar soweit, dass die Bergwacht in den Alpen Wanderer aufgreift, die sich trotz GPS verirrt haben. So erzählte mir ein bekannter Bergführer, dass einige Berg-Enthusiasten lieber dem vom GPS-System vorgegebenen Weg folgen statt umzukehren oder eine alternative Route einzuschlagen. Er schilderte mir einen Fall, wo Wanderer einem Weg weiter gefolgt sind, obwohl dieser wegen Steinschlags und einer offensichtlichen Schlammlawine unpassierbar war. Zudem verirrten sie sich im Gelände und mussten schließlich einen Notruf absetzen. Auf die Frage, ob sie die Warnschilder nicht gesehen hätten, bejahten die geretteten Wanderer die Frage, fügten jedoch hinzu, das Navi habe ihnen den Weg angezeigt ohne Gefahren zu melden. Das scheint kein Einzelfall zu sein. Der Bergführer versicherte mir, er habe über ähnliche Vorfälle von anderen Bergführern gehört.

Sicher kennen Sie auch die nicht ganz ernst gemeinte urbane Legende des Mercedes-Fahrers, der in den Rhein fuhr. Sein GPS hatte einen befahrbaren Damm angezeigt, obwohl dieser vom letzten Hochwasser beschädigt worden war – was jedoch noch nicht in das System eingegeben worden war. Ein Blick aus dem Fenster oder ein Abgleichen mit den tatsächlichen Gegebenheiten unter Einsetzen der Intelligenz vermeidet solche Situationen.

Vermehrt werden in unserer heutigen Zeit elektronische Hilfsmittel benutzt. Statistiken wird blind vertraut, Ergebnisse selten hinterfragt und einfach hingenommen. Apps, Smartphones, die kleinen Computern gleichen und längst viel mehr können als nur telefonieren, nehmen uns Arbeit ab - vielleicht auch das Denken? Der Haken daran ist, dass die alltäglichen Probleme immer komplexer und damit als immer unlösbarer empfunden werden. Es wird nur noch in eine Richtung gedacht und zwar in die, die uns die Maschinen vorgeben. Das komplizierte, mehrdimensionale Denken wird oft nicht einmal mehr versucht, da die Lösung auf dem einfachen – vom Computer errechneten - Weg scheinbar ganz klar ist. Bremsen wir unseren Verstand vermehrt aus?