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Nicht glücklich zu sein - ein Makel?

Das Streben nach dem Glück blockiert einen nur. Wer auch mal seiner miesen Laune nachgibt, ist letztlich erfolgreicher als der ewig Glückssuchende.
Richard Gappmayer | 29.11.2013
Nur wer glücklich ist, hat Spaß an der Arbeit und wird erfolgreich sein. Firmen, die glückliche Mitarbeiter haben, werden in Zukunft erfolgreich sein. Glück bringt Leistung. Das ist seit Jahren, die ewig prophezeite Botschaft, die wir inzwischen verinnerlicht haben. In den Buchläden findet man regalmeterweise Glücksratgeber dazu. In denen wird sozusagen hingewiesen: "Nicht glücklich zu sein, ist heute ein Makel, den es um jeden Preis zu verhindern gilt!"

Das Streben nach dem Glück blockiert einen aber nur. Wer auch mal seiner miesen Laune nachgibt, ist meiner Meinung nach letztlich erfolgreicher als der ewig Glückssuchende. Und vor allem glücklicher!

Die vielen Glücksratgeber machen letztlich nur eins - kreuzunglücklich. Aber wer für sein Glück und seinen Erfolg etwas tun möchte, sollte vom ständigen Streben nach Glück Abstand nehmen und sich mit dem Gedanken anfreunden, dass ein Leben ohne Schattenseiten, ein Leben nur im Glück erstens nicht machbar und zweitens nicht wünschenswert ist.


Dauerhaft glücklich sein


Wer versucht dauerhaft glücklich zu sein, wird erst recht unglücklich. Machen wir ein kleines Experiment. Versetzen Sie sich bildlich auf eine Karibikinsel mit weißem Sand, blauem Wasser und allen erdenklichen Annehmlichkeiten und versuchen Sie dauerhaft glücklich zu sein. Dauerglück ist nicht machbar, weil, entweder würde Ihnen relativ bald langweilig werden oder Sie würden aus heiterem Himmel schlechte Laune bekommen oder es würde etwas beginnen Sie zu nerven.

Die Idee nur glücklich zu sein funktioniert nicht, weil das liegt in der Natur des Menschen.

Dauernd gut drauf zu sein, wer diesen hohen Anspruch an sich hat, der ist folglich zum Scheitern verurteilt. Wer sich ständig fragt, ob er glücklich ist, wird sich seiner unglücklichen Momente stärker bewusst. Fazit. Je mehr wir danach streben, glücklich zu sein, desto weniger sind wir es.


Verlust der Fähigkeit, aus Krisen zu lernen


Die meisten Strategien der Glückspropheten sind nicht grundlegend falsch. Nur zu einseitig angewendet jedoch bewirken sie oft das Gegenteil.
Es geht auch nicht darum, wer jetzt die besseren Tipps für das Erreichen von Glückzuständen geben kann. Sondern ich rufe dazu auf einen vielmehr realistischen Umgang mit dem Glücksbegriff.

Ein erster Schritt dazu könnte sein, den Glauben daran aufzugeben, dass wir es ganz allein in der Hand haben, ob wir glücklich sind oder nicht. Weil, der das glaubt für den wiegt jeder Misserfolg mehrfach. Unter dem Motto: "ich muss es doch schaffen, glücklich zu sein!" - ist eine der Ursachen für Depressionen und Burnouts.

Die ständige Fokussierung auf das Glück - blinder Positivität - verleitet uns schwierige und leidvolle Erlebnisse zu verdrängen und sich damit nicht auseinanderzusetzen. Man verliert den Umgang damit. Tief greifendes Selbstwachstum basiert auf der Auseinandersetzung mit schwierigen Umständen.

Bei aller Sinnhaftigkeit, die die Arbeit bieten sollte, so werden Sie doch immer wieder mit schwierigen Situationen und Rückschlägen konfrontiert sein, die Ihnen genau das abfordern, die Bereitschaft, negative Gefühle zuzulassen und die Fähigkeit mit ihnen umzugehen.

So ist es Selbstzufriedenheit die, die eigene Entwicklung eher lähmt und Scheitern und Misserfolge uns antreiben. Antreiben, im Sinne es anders zu machen, etwas Neues versuchen und dadurch zum Erfolg zu kommen. Wahrlich große Leistungen entstehen oft aus ganz schwierigen Situationen heraus.


Welche Brille ist die Richtige?

Auf ein realistisches Maß abgewertet sollten gesellschaftliche Ideale, wie Glück, das Ideal der Fehlerlosigkeit, Heldentum, Optimismus, Spaß, werden. Aufgewertet sollten hingegen zum Beispiel Trauer, Angst, Fehlerhaftigkeit, Scheitern und Krisen werden.

Bitte nicht falsch verstehen, das heißt nicht, dass dies ein Aufruf zum Verharren im Unglück bedeutet. Man sollte durchaus das Bestreben haben, glücklich zu sein!

Es bringt auch nichts die rosa Brille gegen eine schwarze auszutauschen - empfehlenswert wäre eine Brille mit Klarsicht. Gemeint ist hier eine Brille mit einem gesunden Realismus. Dadurch relativiert sich automatisch der Umgang mit Glück.

An manchen Tag oder mal eine Woche mies drauf zu sein, gehört einfach zum Pendelschlag des Lebens. Deshalb sollte man sich nicht verrückt machen.

Mein pragmatischer Vorschlag, um mehr Zufriedenheit in sein Leben zu bringen, lautet: auch mal nicht glücklich zu sein und sich dessen nicht zu schämen. Und wenn das Glück auftaucht - wie so oft plötzlich und überraschend - dann sollte man es sich es einfach nehmen, ohne zu fragen, ob man es sich verdient!

Ihr
Richard Gappmayer