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Wir haben alles im Griff - Probleme an der Wurzel packen.

Fehlentscheidungen kosten nur Geld. Erfolgreiche Gesprächsführung hängt von der Gesprächskultur ab. Dialektisches Denken ist dafür notwendig
Ulf D. Posé | 19.01.2015
Kommunikation – nicht nur eine Frage der Technik


„Sie werden einsehen müssen, dass eine Autobahngebühr allein schon deswegen Unsinn ist, weil sich das nicht kontrollieren lässt.“ Klaus Markward war aufgebracht. Da hatte er als Spediteur schon einen schwierigen Stand gegen seine europäischen Kollegen, und dann sollte er auch noch darüber nachdenken, dass eine Autobahngebühr für Lkws eine gute Sache sei. „Ja, für meine ausländischen Kollegen ist das schon richtig, aber ich zahle doch eine saftige Kfz-Steuer, da sollte man solche Überlegungen erst gar nicht anstellen.“
Je länger er darüber nachdachte, desto verärgerter wurde er. Sein Gegenüber empfand er immer ungerechter und unangenehmer. Ein unmöglicher Zeitgenosse. Dabei hatte es in dieser Podiumsdiskussion recht harmlos angefangen. „Sollte eine Autobahngebühr für LKW eingeführt werden, ja oder nein?“ Klaus Markward war dafür, solange es nur um seine nicht-deutschen Kollegen ging. Er selbst konnte das nicht einsehen. Und so redete er und schimpfte er wie ein Rohrspatz.
Und damit verschlimmerte sich seine Situation. Erst eckte er bei seinen Diskussionskollegen an, dann beim Publikum. „Sie haben ja alle keine Ahnung,“ schimpfte er mit einer wegwerfenden Handbewegung auch gegen das Publikum. „Buuuhh!!“, die Leute im Saal reagierten mit Pfiffen und auch mit Gelächter. Schlussendlich verließ Klaus Markword völlig entnervt den Saal. Es reichte ihm. Da saßen ja nur Knallköppe!!

Hätte Klaus Markword ein wenig von guter Verhandlungsführung verstanden, wäre ihm sicher die Diskussion nicht aus der Hand geglitten. Was hatte er nur verkehrt gemacht?

Das Problem ist die Form
Es gibt drei Formen der Gesprächsführung:
1. Die Debatte
2. Die Diskussion und
3. Den Diskurs.
Alle drei unterschieden sich. Und es ist für den Prozeß der Überzeugung oder den Prozeß der Klärung wesentlich, welche Form ich wähle, denn die Vorgehensweise ist dann jeweils eine andere. Man kann mit Mitteln der debatte keine Überzeugung sicherstellen. Und man kann mit Mitteln der Diskussion keine Problemlösung erwirtschaften.
Die Frage ist also, wie unterschieden sich die drei Gesprächsarten?

Die Debatte
Battere heißt schlagen. In einer Debatte prügelt man also offensichtlich aufeinander ein. Die Vorgehensweis in der Debatte ist das Fertigmachen, über den Tisch ziehen, das Wort im Mund herum drehen. Da wird sofort klar, dass hier kaum der Gesprächspartner überzeugt wird. Soll auch nicht!! Das Ziel in der Debatte ist der Zuhörer, nicht der Gesprächspartner oder Gegner. Es heißt also nicht umsonst: Bundestagsdebatte!!
Die Diskussion
In der Diskussion will ich mich durchsetzen. Ich will Recht behalten. Ich möchte, dass mein Gesprächspartner mir meine Behauptungen abkauft. Gelingt mir das, habe ich mein Ziel erreicht. Das Ziel der Debatte ist also nicht der Zuhörer oder Beobachter, sondern das Ziel ist die Überzeugung meines Gesprächspartners.
Der Diskurs
Im Diskurs geht es um den gemeinsamen Erkenntnisfortschritt. Ich versuche mit meinem Gesprächspartner zu klären, was uns bei einer Entscheidung weiter hilft. Es wird gemeinsam geprüft, was sind die einzelnen vorgebrachten Argumente oder Pros und Contras wert. Dabei ist es völlig unerheblich, wer ein Argument einbringt. Das Ziel einer solchen Veranstaltung ist immer die Problemlösung. Haben beide das Problem gelöst, haben beide gewonnen. Gelingt ihnen das nicht, haben beide verloren.

Wenn wir uns jetzt fragen, was wir in Gesprächen wollen, dann wissen wir auch, welche Gesprächsform adäquat ist.
Man sollte nicht behaupten: „Wir sollten etwas klären“, wenn man gar nichts klären will, sondern sich durchsetzen will.
Sie können sehr leicht feststellen, ob sie zum Diskurs fähig sind, wenn Sie sich einmal folgende Frage stelle: „Wenn sich eine Meinung nicht durchsetzen kann, habe ich dann gewonnen oder verloren?“
In der Diskussion hätten Sie verloren, da Sie nicht überzeugen konnten. Im Diskurs hätten Sie gewonnen, da Sie offensichtlich einen Irrtum erkannt haben. Menschen, die sich darüber freuen, einen Irrtum identifiziert zu haben, wenn sich ihre Überzeugung nicht durchsetzen kann, sind diskursfähig.

Woran liegt so etwas aber? Nun, das kann man über Kommunikationsregeln klären.

Die wichtigsten Kommunikationsregeln
Nun, zunächst wurde hier die einfachste aller Kommunikationsregeln verletzt, es wurde sich zu wenig in die Haut seines Gegenübers versetzt.
Vor rund 2000 Jahren wussten die Menschen noch, was man beachten muss, damit man mit seinem Mitmenschen zu einem möglichst alle Diskussionsteilnehmer zufriedenstellenden Ergebnis kommt. Die alten griechischen Philosophen haben eine besondere Fähigkeit eingefordert, die uns anscheinend nicht mehr zur Verfügung steht, da wir das Wort dafür verloren haben.

Sie können es einmal prüfen. „In der Sprache eines Menschen dokumentiert sich sein Menschenbild“, meinte Wittgenstein. Wörter, die wir regelmäßig verwenden und die uns geläufig sind, sagen auch, dass uns die Sache, die mit diesem Wort gemeint ist, vertraut ist. Ein Mensch, der von Ernährungswissenschaften nichts versteht, wird wahrscheinlich mit dem Wort Ökotrophologie wenig anfangen können, nicht wahr?
Also machen wir gemeinsam einen kleinen Test: Wie nennt man einen Menschen, der seine Ziele in den Mittelpunkt seines Handels stellt? - Richtig, das ist ein Egoist. Sie scheinen also von der Sache etwas zu verstehen.
Wie nennt man nun einen Menschen, der nicht seine Ziele, sondern seine Überzeugungen in den Mittelpunkt seines Handels stellt? Dieses Wort wird manchmal mit dem Egoisten verwechselt? Auch richtig, das ist der Egozentriker. Hier scheinen Sie ebenfalls mit der Sache sehr vertraut zu ein, da auch diese Wort Ihnen recht geläufig ist.
Nun fragen wir mal nach dem Gegenteil, mal sehen, ob Ihnen die Sache auch vertraut ist: Wie nennt man einen Menschen, der nicht seine eigenen Ziele, sondern die Ziele anderer Menschen in den Mittelpunkt seines Handelns stellt? Na, schon schwieriger? Dann scheint Ihnen die Sache nicht ganz so geläufig zu sein. Das ist der Altruist.

Alterozentrik - die Basis guter Verhandlungsführung
Und nun die vierte Frage: Wie nennt man einen Menschen, der nicht seine eigenen Überzeugungen, sondern die Überzeugungen anderer Menschen in den Mittelpunkt seines Handels stellt? Na, es fällt Ihnen nicht ein? Das Wort liegt Ihnen auf der Zunge? na, gut, lüften wir einmal den Schleier. Das ist der Alterozentriker.

Sie kennen das Wort nicht? Dann scheint Ihnen die Sache unbekannt zu sein! Dabei ist diese Fähigkeit unbedingt erforderlich, um einen Menschen in einer Verhandlung überzeugen zu können. Aber grämen Sie sich nicht. Das Wort Alterozentrik ist aus unserem Sprachgebrauch entschwunden. Selbst in der letzten Ausgabe des Brockhaus ist es als Gegenbegriff zur Egozentrik nicht aufgeführt. Es gibt es nicht mehr. Wenn wir jetzt noch einmal zurückschauen und uns vor Augen führen, dass in der Sprache des Menschen sich sein Menschenbild dokumentiert, dann gehört die Fähigkeit, sich auf andere Menschen, auf deren Wünsche Bedürfnisse, Werte Erwartungen und Interessen einstellen zu können, nicht zu unserem bevorzugten Menschenbild. Und damit fehlt uns, würden die alten griechischen Philosophen sagen, die entscheidende Voraussetzung, um mit einem Menschen etwas klären zu können. Fehlt uns aber die Alterozentrik, dann gehört zu unserem Repertoire mehr die Fähigkeit, Recht behalten zu wollen, uns durchzusetzen, jemanden über den Tisch zu ziehen oder jemanden zu überreden. Schade, schade.

Der gemeinsame Erkenntnisfortschritt
Mit dieser wunderschönen Fähigkeit der Alterozentrik meinten die Philosophen die Fähigkeit, eigene Erkenntnisse anderen Erkenntnissen gegenüber nicht automatisch für überlegen zu halten. Damit meinten sie auch die Fähigkeit, in Verhandlungen gemeinsam mit dem Gesprächspartner über das Abprüfen der jeweiligen Erkenntnis, (auch der eigenen!) herausfinden zu wollen, wessen Erkenntnis die Gesprächspartner weiter bringt. Das nannten die Griechen den Erkenntnisfortschritt.
Wer aber Recht behalten will, wer im Zustand der alleinseligmachenden Erkenntnis sich befindet, wer prinzipiell die eigenen Erfahrungen und Überzeugungen anderen Erfahrungen, Erkenntnissen und Überzeugungen gegenüber für überlegen hält, ohne bereit zu sein, das prüfen zu wollen, der kann keine sinnvolle Verhandlung führen. Der kann sich nur durchsetzen wollen. Und damit gefährdet er möglicherweise eine gute Lösung für ein Problem.


Gefühle beeinflussen Verhandlungsergebnisse
„Also Frau Kiltmann, jetzt reicht´s aber!“ Marianne Robenzwerg war sauer. Nun hatte sie Ihrer key-account-Managerin ausdrücklich gesagt, sie solle bei den Verhandlungen mit den C&C Märkten darauf achten, dass sämtliche Gesprächsprotokolle immer und jederzeit in der jeweiligen Akte zu finden seien, und nun: “haben Sie die Akte Globus ohne Gesprächsprotokolle hier zurückgelassen. Das ist die Höhe. Wir konnten in allen Nachverhandlungen keinen Bezug nehmen auf Ihre Verhandlungen. Damit bin ich nicht einverstanden. Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?“

Frau Robenzwerg hätte am liebsten Frau Kiltmann entlassen. Es kam immer wieder zu kleinen Reibereien. Bisher hatte Marianne Robenzwerg freundlich darüber weggesehen. Aber jetzt? Nein, das wollte sie sich nicht mehr bieten lassen. Jetzt war Schluß! „Und damit Sie es genau wissen, Frau Kiltmann, das ist hiermit eine Abmahnung. Und die werden Sie mir schön unterschreiben.“ Marianne Rosenberg atmete tief durch. So, das hatte die Kiltmann nun davon. Das ganze Gefasel von „aber der Chef...“ und: „ich konnte persönlich nichts dafür, außerdem hat der Chef großen Wert auf die Einsicht in die Protokolle gelegt...“, interessierte Marianne Robenzwerg nicht.

Es wäre allerdings besser gewesen, es hätte sie interessiert. Dann wäre ihr nicht entgangen, dass Frau Kiltmann ruhig und sachlich erklärte, dass der gemeinsame Chef, Herr Klarzich die Protokolle noch kurz vor dem Urlaub an sich genommen hatte und versprochen hatte, die mit Marianne Robenzwerg zu klären. Und so konnte Frau Kiltmann keine Schuld treffen. Aber das bekam Frau Robenzwerg nicht mit, sie überhörte es.
Die Worte von Frau Kiltmann rauschten an ihr vorbei. Marianne Robenzwerg hatte sich so richtig in ihre Emotion hineingesteigert. Und langsam wurde auch Frau Kiltmann sauer: „Also Frau Robenzwerg. Wenn Sie nicht mitbekommen, dass Ihr und mein Chef die Unterlagen an sich genommen hat, und Sie informieren wollte, dies aber anscheinend nicht getan hat, dann machen Sie bitte ihm und nicht mir einen Vorwurf. Ich erwarte von Ihnen eine Entschuldigung. Und das mit der Abmahnung hätte ich gern schriftlich von Ihnen, damit ich mich über ihren miserablen Führungsstil beschweren kann.“ Sprach´s, und ließ Marianne Robenzwerg stehen.

Platons zweite Regel: Sprich Gefühle positiv an

Beide Damen waren nun so verärgert, dass sie einer sinnvollen Argumentation nicht mehr zugänglich waren. Und genau hier greift eine zweite Regel des Platon: Sprich Gefühle immer positiv an.
Platon war der Überzeugung, dass man Menschen gegen ihre Gefühle nicht überzeugen kann. Ich gewinne nichts durch Druck oder dadurch, dass ich jemanden beleidige, fertig mache oder gar anschreie. Ich verletze Gefühle. Das Porzellan, das dabei zerschlagen wird, läßt sich nicht mehr kitten.
Das nächste Problem dabei ist, dass derjenige, der den anderen emotional verletzt, damit rechnen muss, selbst verletzt zu werden, als Retourkutsche sozusagen. Und das hat Probleme bisher nur verschärft, nie gelöst.

Platons zweite Regel kann bei richtiger Beachtung gerade in Verhandlungen Verhärtungen und ein Sich- Quer-Stellen verhindern. In einem emotional positiven Klima bin ich viel eher zu Zugeständnissen bereit, lasse auch schon einmal eine fünf gerade sein, wie der Fall Hermann Wegener zeigt.
Hermann Wegener hatte es eilig. Er fuhr hinter einem Kleinwagen her, der einen LKW überholte. Am Steuer des Kleinwagens saß eine ältere Dame, die anscheinend viel Zeit hatte oder ihr Wagen war untermotorisiert. Jedenfalls dauerte es eine ganze Weile, gute 15 Minuten, wie Hermann meinte, bis der LKW überholt wurde.
Hermann Wegener saß mit seiner Stoßstange schon fast auf der Stoßstange des Kleinwagens. Just in dem Moment, als er dachte: „Jetzt überholst Du die Alte von rechts“, fuhr ein Wagen rechts neben ihn, der Arm eines Polizisten schaute heraus und winkte ihn nach rechts heraus.
Hermann Wegener erschrak. Das konnte richtig Ärger geben. Nötigung, Blinken, zu dichtes Auffahren, das konnte für vier Wochen den Führerschein kosten.

Er hatte zwei Möglichkeiten. Entweder er regte sich auf und schimpfte über die Alte, die ja wohl nicht richtig fahren könne und beschimpfte den Polizisten, wieso er ihn, und nicht die alte Dame von der Autobahn herunter geholt habe, wo doch der Polizist von seinen Steuern bezahlt würde, und so weiter, und so weiter... Oder er nutzte die zweite Möglichkeit. Hier konnte er die Gefühle des Polizisten positiv ansprechen.

Hermanns Glück war, dass er vom Herauswinken bis zum Anhalten noch eine kurze Zeit der Überlegung besaß. Heraus kam dann folgendes Gespräch, an dem Platon wahrscheinlich seine helle Freude gehabt hätte. „Na“, meinte der Polizist, „wollten Sie die alte Dame von der Bahn jagen?“ Dabei schaute er recht grimmig. Hermanns erste Worte waren: „Ich kann mir vorstellen, dass Sie das nicht witzig gefunden haben, was Sie da gesehen haben.“ „Da können Sie Gift drauf nehmen. Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, sich wie ein Rowdy aufzuführen?“
Hermann war geknickt. Der Polizist hatte ja Recht. Er konnte, auch wenn die alte Dame sehr lange gebraucht hatte, den LKW zu überholen, sich so nicht aufführen, und er meinte: „Im Grunde genommen bin ich ihnen dankbar, dass Sie mich herunter gewunken haben, um mit mir ein ernstes Wort zu reden. Ich weiß auch nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Sie haben ja Recht, das war wirklich nicht in Ordnung.“
Der Wachtmeister wurde etwas milder in seiner Argumentation: „Na wenigstens sehen Sie ein, was Sie da getrieben haben. Mensch, Ihr Wagen ist doch schon viel schneller. Da können Sie doch die kleinen Sekunden warten.“ Hermann nickte. „Was soll ich denn jetzt machen? Ich würde mich ja gern bei der Dame entschuldigen.“ „Na soweit müssen Sie es ja nicht treiben. Aber denken Sie das nächste Mal daran. Ich freue mich, dass Sie Ihren Fehler einsehen. Bitte fahren Sie in Zukunft anständig.“
Ob bei einer anderen Vorgehensweise Hermann Wegener so billig davon gekommen wäre? Ich meine nein. Platons zweite Regel „Sprich Gefühle immer positiv an“ hat ihn hier geschützt und sein Verhandlungsergebnis enorm positiv beeinflußt.


Das Bedingungsdenken
„Wie sollten unseren Marketingplan abstimmen auf Umsatzziele, Imageziele und Produktentwicklungsziele.“ Monika Zwerchfell hatte als Leiterin der Marketingabteilung in ihrem Textilunternehmen das Wort ergriffen. In der heutigen Marketingsitzung meinte sie Input geben zu müssen, eine Art Vorgabe für die Zukunft geben zu müssen. „Frau Zwerchfell, ein Marketingplan mit Produktentwicklungsziele halte ich nicht für sinnvoll, weil Produktionsziele Sache der Produktion und nicht der Marketingabteilung sind.“

Der Widersacher aus der Produktion, Herr Magermann hielt wie immer dagegen. „Das scheint mir eine nicht sehr sinnvolle Argumentation zu sein, da die Marketingabteilung durch ihre Nähe zum Kunden genau weiß, was im Trend liegt. Und daher müssen wir uns gerade mit Produktentwicklungen befassen.“ Frau Zwerchfell meinte ein gutes Argument damit zu haben. Aber Herr Magermann gab nicht auf: „Frau Zwerchfell, das ist doch Unsinn. Was nutzt der Trend, wenn Sie nicht wissen, ob solch ein Produkt auch zu vernünftigen Preisen entwickelt werden kann. Und über Produktionskosten und Entwicklungskosten weiß Ihre Abteilung nun wirklich nicht Bescheid.“

Der Streit der beiden ist vorprogrammiert. Bei werden sich immer wieder deutlich machen, wie Unrecht der jeweils andere doch hat. So unproduktiv können Verhandlungen sein. Hätten die beiden sich bei den alten Römern bedient oder die Zeit bis zur Renaissance kritisch beobachtet, dann wäre Ihnen sicher aufgefallen, dass es früher andere Formen der Verhandlungsführung gab, die halfen ein Problem zu lösen, anstatt Recht zu behalten gegen andere.


Denken in Bedingungen - eine alte römische Technik

Die alten Römer kannten noch ein Denken und eine Technik, die tatsächlich versuchte, Probleme auf optimalem, und nicht auf suboptimalem Niveau zu lösen. Was war das nur für ein Denken, und welche Technik war damit verbunden?

Begründungen versus Bedingungen
Wir denken heute fast immer in Begründungen. Wir suchen unsere Behauptungen abzugrenzen, zu untermauern und zu verteidigen, indem wir begründen, weshalb wir eine Sache für richtig oder für falsch halten, wieso eine Sache machbar ist und wieso nicht. So ist Streit oder allenfalls ein suboptimaler Kompromiß, eine Art Nullsummenspiel vorprogrammiert.
Die alten Römer konnten noch anderes denken. Für sie war es nicht so wichtig, weshalb eine Sache machbar ist oder weshalb nicht. Sie konnten noch sagen, unter welchen Bedingungen eine Sache Sinn ergibt, und unter welchen Bedingungen sie nicht sinnvoll ist. So wird weniger gestritten, sondern mehr versucht herauszufinden, ob die genannten Bedingungen mit sinnvollem Aufwand erfüllbar sind oder nicht. Sind die Bedingungen mit sinnvollem Aufwand erfüllbar, dann wird eine Sache getan, ist der Bedingungskatalog nicht erfüllbar, dann wird die Sache unterlassen. Und das unabhängig davon, ob eine Lösung für ein Problem einem gefällt oder nicht. So kann man durchaus zu Verhandlungsergebnissen kommen, die einem gar nicht gefallen, aber genau diese Verhandlungsergebnisse können zu einer optimalen Problemlösung führen.

Das Interessante ist, eine Begründung für oder gegen eine Sache ist immer auch eine Bedingung. Bei einer Bedingung ist es jedoch nicht wesentlich, ob sie für oder gegen eine Sache spricht, sondern nur wichtig, ob sie erfüllbar ist oder nicht.
Ein Beispiel: Jemand argumentiert, dass eine Autobahngebühr für Lkw allein schon deshalb unsinnig sei, weil der Kontrollaufwand viel zu hoch sei. Diese Begründung gegen die Autobahngebühr bekommt als Bedingung ein neues Gesicht: Eine Autobahngebühr für Lkws ist nur dann durchführbar, wenn sich dies auch mit wenig Aufwand kontrollieren läßt. Jetzt ist nur der Kontrollaufwand zu überprüfen. Ist er klein, dann kann ich die Gebühr einführen, ist er groß, vielleicht größer als die Einnahmen, dann sollte ich es lassen.

Bedingungsdenken macht neue Verhandlungsergebnisse möglich
Der Marktleiter eines Supermarktes will im Gespräch mit dem key accounter nichts gelten lassen: „Das Produkt will ich nicht mehr, weil es sich nicht dreht.“ Franz Klammer läßt sich nicht beirren: „Sie werden das Produkt also nur dann weiterführen wollen, wenn es sich besser dreht?“ „ Ja“, meint der Marktleiter, „und außerdem will ich es nicht, weil ihr zuwenig dafür tut. Der WKZ stimmt nicht und die Aktivitäten lassen auch zu wünschen übrig.“

Jetzt scheint alles aus. Aber über das Bedingungsdenken wollte Herr Klammer seine Chancen wahren: „Also sie werden das Produkt nur dann weiterhin listen, wenn 1. der WKZ stimmt, 2. wenn wir das Produkt mehr unterstützen und 3. wenn es sich dann besser dreht. Das ist doch richtig oder?“ „Ja;“. „Dann lassen Sie uns doch bitte gemeinsam die drei Punkte einmal klären.“ Franz Klammer kam in seiner Verhandlung weiter. Nur den Werbekostenzuschuss, den konnte er nicht klären. „Diesen WKZ kann ich nicht locker machen. Das übersteigt bei weitem meine Möglichkeiten.“ Aber auch jetzt gab sich Franz Klammer nicht geschlagen. Er griff zur letzten seiner Möglichkeiten: „Unter welchen Bedingungen wären Sie denn bereit, auf diese WKZ-Höhe zu verzichten? Was könnten wir stattdessen für Sie tun?“ Franz Klammer verhandelte Ersatzbedingungen. Einige davon gefielen dem Marktleiter. Und so blieb Franz Klammer mit seinen Produkten im Markt.
Der Hintergrund dieses Verhandlungserfolges ist wiederum das Bedingungsdenken. Diese Denkart geht davon aus, dass es eben nicht wesentlich ist, was für oder gegen eine Sache spricht, sondern wesentlich ist, ob der gefundene Katalog an Bedingungen hilft, ein Problem für alle Parteien auf optimalen Niveau zu lösen oder nicht.

Der rote Faden in Verhandlungen.

Rupert Lay hat einmal gesagt, dass manche Menschen sich hemmungslos mit den Abfallprodukten ihrer Großhirnrinde prostituieren. Gemeint hat er wohl die Unfähigkeit oder Unwilligkeit, Argumente chronologisch und nicht assoziativ vorzubringen und in Verhandlungen zu besprechen.

Monika Stich ist Geschäftsführerin eines Mineralwasserbrunnens in Thüringen. Sie leitet jede Woche Montag von 8.30 bis 9.30 Uhr die Postbesprechung. Dort werden von den verschiedenen Abteilungsleitern die einzelnen Themen besprochen, die den Stand der Produktion, die Schwierigkeiten und Abschlüsse des Vertriebs, die Marketingaufgaben oder auch Ablaufschwierigkeiten etc. aufzeigen. Jeden Montag nimmt sich die gesamte Mannschaft vor, auch pünktlich um 9.30 Uhr fertig zu sein. Aber das klappt nur ein- zweimal, dann dauert die Sitzung länger oder es werden nicht alle Themen besprochen. So kommt es zu Vertagungen und auch zu Schwierigkeiten in der Terminplanung.

Monika Stich nimmt keine Besprechungstermine am Montagvormittag außerhalb der Postbesprechung mehr an. Aber das scheint ihr keine gute Lösung zu sein. Die Analyse des letzten Meetings könnte ihr helfen.

„Heute wollen wir ein Vertriebsproblem in den Mittelpunkt stellen“. Alle wissen Bescheid. Der Vertrieb will einen besonders großen Verleger mit enormen Absatzchancen in und um Berlin gewinnen. Allerdings gestalten sich die Vertragsverhandlungen zäh. Der Vertriebsleiter berichtet: „Wir haben jetzt die Forderung 10 zu 1 für 6 Monate. Außerdem will der Kunde einen EK von 3.32, das ist 60 Cent unter dem Durchschnittspreis. An Aktivitäten sind 6 pro Outlet gefordert und zum Letzten erwartet der Verleger € 600 pro Outlet an Listungsgebühr. Das überfordert unsere Möglichkeiten.“ Der Produktionschef meldet sich zu Wort: „Haben Sie ihm denn schon einmal unsere Produktionskosten erklärt? Dann müsste der doch wissen, dass wir solche Preise nicht fahren können.“ „Vielleicht können Sie günstiger produzieren? Was ist denn da noch drin“, lautete die Rückfrage des Vertriebschefs. „Tja, wenn wir uns für die andere Abfüllanlage entscheiden hätten, dann wären da sicher pro Flasche bis zu 2,5 Cent drin gewesen. Überhaupt haben wir in letzter Zeit unnötige Stillstandszeiten. Aber so ist das, wenn der Lieferant seine Monteure nicht im Griff hat. Ich denke wir sollten uns viel härter beim Lieferanten auch durchsetzen.“ Der Produktionschef hatte sich jetzt engagiert für seine Sache. Vielleicht, so dachte er, könnte man das Thema Abfüllanlage gleich mitdiskutieren, wo es doch erheblichen Einfluss auf die Abverkaufspreise nimmt.

Auch an diesem Tag dauerte die Sitzung viel länger als geplant. Aber das hätte nicht sein müssen. Einer der entscheidenden Fehler war die Diskussionsart. Es wurde nicht richtig geleitet. Die Leiterin hatte nur das Hauptthema genannt, nicht jedoch über welchen Punkt genau diskutiert werden sollte. Sie hätte herausgreifen können den Einkaufspreis, die Aktivitäten oder die geforderte Listungsgebühr. So konnte jeder sagen, was er wollte. Damit verkam die Diskussion vom Hölzchen auf Stöckchen.

Der 2. Fehler war die Undiszipliniertheit der Beteiligten. Der Produktionschef interessierte sich für seine Abfüllanlage. Er brachte sie assoziativ ins Spiel. Damit behinderte er die Verhandlung enorm. Hätte er doch geschwiegen, und sich mehr um die Probleme des Vertriebs gekümmert, denn darum ging es ja schließlich

Daneben hätte auch die Leitung diese Abweichung vom Thema bemerken können. Auch der Vertriebschef hätte diesen Ausflug in die Welt der Produktion nicht mitmachen müssen. So hätte alle Beteiligten früher fertig werden können!

Fazit
Wer also Verhandlungen erfolgreich führen möchte, der sollte:
1. Die Fähigkeit besitzen, sich auf andere Menschen, deren Bedürfnisse, Werte, Erwartungen und Interessen einstellen zu können,
2. die Gefühle anderer Menschen in Verhandlungen positiv ansprechen können und
3. in Bedingungen denken können, damit das optimale Ergebnis die Oberhand gewinnt, und nicht die Lösung, die mir am besten gefällt, auch wenn sie nicht unbedingt mein Problem löst.

Daneben benötigt eine erfolgreich geführte Verhandlung eine saubere Struktur und eine konsequente Vorgehensweise beim Besprechen und Abarbeiten der einzelnen Themen und Diskussionspunkte.