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Chef bleibt Chef!

Wie es trotzdem gelingt und warum es sich lohnt, ihn "von unten" zu führen und zu managen
Stefan Häseli | 11.04.2016
„Es war einmal ein Prinz, der gerne ein König sein und über viele Untertanen herrschen wollte. Doch als Zweitgeborener musste er dieses Vorrecht seinem Bruder überlassen. Da ergab sich, dass in einem benachbarten Königreich eine Prinzessin als einziges Kind den Thron ihres greisen Vaters erbte. Er freite um sie und sie erhörte ihn. Sein Traum ging in Erfüllung. Er wurde König. Schon bald zeigte sich, dass er sein Reich vorbildlich regierte. Unter seiner Herrschaft blühte das Land auf und es war eine Freude zu sehen, wie gut alles funktionierte – am Königshof genauso wie bei den Untergebenen. Die einfachen Leute arbeiteten fleißig und erwirtschafteten genug, dass des Königs Zehntscheunen immer bis unters Dach gefüllt waren und auch die eigenen Familien gut leben konnten. Da der König das Herrschen nicht gelernt hatte, merkte er gar nicht, dass nicht er, sondern seine Minister und Ratgeber das Land so mustergültig führten. Sie waren die Spezialisten. Der eine war für den Bergbau zuständig, der andere für den Weinbau, einer kümmerte sich um die Pferdezucht und ein anderer um die Handelsbeziehungen. Der König vertraute ihnen und hörte auf ihre Ratschläge. Seine weisen königlichen Erlasse und Befehle beruhten in Wirklichkeit auf ihrem Wissen. Er ließ sich von ihnen lenken und führen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann machen sie es heute noch so.“

In die Gegenwart übertragen, lautet die Essenz dieses kleinen Märchens „Führung von unten“. Im Lexikon des Personalmanagements (Fred G. Becker) wird das als „Ausdruck für die gezielte Einflussnahme von Mitarbeitern auf das Denken und Handeln von Vorgesetzten“ definiert, „so dass diese bewusst oder unbewusst – sich im Sinne der Untergebenen verhalten“.

Wie führe ich meinen Chef?

Die meisten Führungskräfte haben wiederum einen Vorgesetzten. Obwohl sie selbst Chef eines Teams, eines Büros, einer Abteilung, eines Werks oder einer Sparte im Unternehmen sind, haben auch sie in der Hierarchie einen ranghöheren Chef über sich. Selbst der Vorstandsvorsitzende eines großen Konzerns kann nicht alles alleine entscheiden, sondern ist dem Aufsichtsrat gegenüber verantwortlich. Auf dieser Struktur der klaren Definierung von Hierarchien und Führungsschichten in Unternehmen beruht die klassische Managementausbildung. Gedacht wird von oben nach unten. Der ideale Vorgesetzte soll seine Mitarbeiter motivieren und ihnen eine vorbildliche Führung angedeihen lassen. Die Frage, wie man als Führungskraft mit dem eigenen Vorgesetzten umgehen soll, wird dabei ausgeklammert. Nicht selten kommt es dann in der Praxis genau an diesem Punkt zu Schwierigkeiten. Während die Führung der Mitarbeiter mehr oder wenig gut funktioniert und notfalls auch per Weisung nach unten durchgesetzt werden kann, erfordert die Beziehung nach oben andere Qualitäten. Um auf Dauer erfolgreich zu sein, hängt von einer guten Arbeitsbeziehung zum Vorgesetzten mindestens genauso viel ab, wie von den Resultaten des selbst geführten Verantwortungsbereichs.

Von unten nach oben
Wenn im Folgenden von Führung von unten nach oben die Rede ist, können diese Überlegungen überall dort helfen, wo per Macht keine Möglichkeit besteht, also in allen Situationen wo Führen ohne Macht und Weisungsbefugnis gefragt ist. Dafür ist es zunächst einmal wichtig, sich der Tatsache bewusst zu sein und sie zu akzeptieren. Werden unterschiedliche Interessenlagen berücksichtigt, können meist auch gemeinsame Ziele unterstützt werden. Fachwissen, gute Ideen und neue Denkansätze schaffen bei der (unsichtbaren) Führung eine hohe Akzeptanz, ebenso wenn der Nutzen für das Gegenüber bzw. den Höhergestellten in den Vordergrund gerückt wird.

Chef bleibt Chef
Wer seinen Chef nicht erdulden will, der muss ihn managen – ein Lehrsatz, der in keinem Buch steht. Nicht selten wechseln (hoch) motivierte Mitarbeiter frustriert die Stelle, weil sie mit ihrem Vorgesetzten nicht klar kommen. Und gelangen dabei womöglich vom Regen in die Traufe. Denn auch bei der neuen Position gibt es einen Vorgesetzten. Einen anderen zwar, aber nicht unbedingt einen (für sie) besseren. Die Zusammenarbeit mit dem neuen Chef wird zeigen, dass auch dieser Ecken und Kanten hat, die der Mitarbeiter nicht ignorieren kann, sondern akzeptieren muss. Besser als sich den idealen Chef zu suchen, ist es, sich mit seinem (unvollkommenen) Chef auseinander zu setzen:
• Was für ein Mensch ist er (oder sie)?
• Welche speziellen Eigenarten pflegt er?
• Favorisiert er Details oder Zusammenfassungen?
• Wünscht er Zwischenberichte oder Endergebnisse?
• Hört er gerne zu oder redet er lieber selbst?
• Liest er gerne E-Mails oder telefoniert er lieber?
• Bevorzugt er wenige längere oder mehrere kurze Besprechungen?
• Was bedeuten ihm zwischenmenschliche Beziehungen und Gesprächsthemen?

Egal in welcher Position sich der Fragesteller befindet, immer dient es dem eigenen Nutzen, Antworten auf diese und ähnliche Fragen zu suchen und zu finden. Nur wer weiß, wie der andere tickt, kann sich darauf einstellen und damit Reibungspunkte umgehen.

Den Chef managen
Um konstruktiv mit seinem Vorgesetzten zusammen zu arbeiten, muss man diesen nicht lieben – besser ist es, ihn zu managen. Dazu bedarf es keiner Tricks. Allein die Einhaltung einiger einfacher Vorgehensweisen hilft, den Chef positiv zu beeinflussen:

Chefs brauchen Erfolge! Wer seinem Vorgesetzten dazu verhilft, wird geschätzt werden. Es lohnt sich also herauszufinden, wo die Stärken des Chefs liegen. Denn damit – und nicht mit sicher ebenfalls vorhandenen Schwächen – werden Erfolge erzielt.

Eine gute Vorbereitung ist die halbe Miete. Zeitmangel kennzeichnet die Situation vieler Vorgesetzter. Umso wichtiger ist es, diese nicht zu vergeuden. Nur gut vorbereitet lassen sich effektive Gespräche führen.

Keine Überraschungen! Taucht ein Problem auf muss der Chef informiert werden. Lieferanten, die nicht spuren oder Kunden, die nicht zahlen – der Vorgesetzte sollte es frühzeitig erfahren, damit er entscheiden kann, ob er eingreifen muss oder nicht.

Vorgesetzte sind keine Hellseher. Sie sind auf die Informationen ihrer Mitarbeiter angewiesen und diese haben die Pflicht, sie zu erbringen. Das gilt sowohl für sachliche Zusammenhänge als auch für persönliche Belange, die das Arbeitsverhältnis beeinflussen. Es klingt ein bisschen abstrakt. Doch im Zeitalter der Kommunikation ist dies nicht immer selbstverständlich. Zwar wird eine Flut an Informationen hin und her geschickt, aber nicht unbedingt ein Kreislauf geschlossen. Wichtig ist ein regelmäßiges Feedback an den Vorgesetzten. So wird der aktuelle Stand laufender Arbeiten oder Projekte für beide Seiten sichtbar.

Oft beharren Chefs, auch wenn sie noch so vehement über die Notwendigkeit von Veränderungen sprechen, eigentümlich stur darauf, so zu bleiben, wie sie sind. Nun liegt es an seinen Mitarbeitern, von der Rolle des ausführenden in die des mitdenkenden Mitarbeiters zu wechseln. Fachkompetenz und Lösungskreativität beeindrucken auch den beharrlichsten Chef.