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„Der schläft doch in der Kaffeeküche ein“: Die dümmsten Vorurteile gegenüber älteren IT-Profis

Die Folgen des Jugendwahns – Stellen müssen ständig neu besetzt werden.
Gunnar Sohn | 30.03.2011
Ältere Bewerber bleiben in der IT-Branche meistens auf der Strecke. Eine vertane Chance für die Unternehmen, sagt Maximilian Nobis vom Personaldienstleister Harvey Nash http://www.harveynash.com/de/. „Ältere Bewerber werden oft kritisch beäugt. Sie müssen schon etwas Außergewöhnliches bringen, um eine Chance zu haben. Leider gibt es zu viele Vorurteile. Die Vorteile dagegen werden kaum gesehen.“


„Der passt nicht ins Team“

Über die Benachteiligung älterer Bewerber berichtete kürzlich auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Sie ließ verschiedene Personalverantwortliche und Wissenschaftler zu Wort kommen. Der Tenor war eindeutig: „Natürlich haben es ältere Bewerber schwerer“, wird ein Personalreferent zitiert, der nicht genannt werden möchte. Und Christian Scholz, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes http://www.uni-saarland.de/?id=2123 sagt: „Man weiß schon, dass da etwas dran sein könnte. Aber man will nicht so genau hinsehen.“ Aktuelle Studien gibt es laut FAZ nicht – wohl auch, weil viele Unternehmen Konsequenzen fürchten. In Bewerbungsgesprächen wird das Thema bewusst nicht angesprochen: Laut dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, auch Anti-Diskriminierungsgesetz genannt, darf das Alter keine Rolle spielen. Sonst kann der Bewerber klagen. Ein Tabu – und doch ein Thema, das viele betrifft.


Die Älteren schaffen es oft nicht einmal bis zum Bewerbungsgespräch. Sie werden aufgrund von Vorurteilen aussortiert: „Der passt nicht ins Team“ heiße es dann, berichtet Nobis. Gemeint ist: Der jeweilige Chef – selbst Mitte 30 – will keinen Mitarbeiter, der mehr Erfahrung hat, ihn womöglich nicht akzeptiert und damit nicht steuerbar ist. „Ein älterer Mitarbeiter hat größere Auswirkungen auf ein Team als eine Nachwuchskraft. Er findet schneller Gehör und ist in der Regel sehr präsent“, sagt der IT-Personalexperte. Natürlich sei es eine berechtigte Frage, wie gut sich ein Bewerber integrieren kann. „Aber das ist letztlich nicht vom Alter abhängig, sondern vom Charakter“, so Nobis.


Die Folgen des Jugendwahns – Stellen müssen ständig neu besetzt werden

Auch die Leistungsfähigkeit wird immer wieder angezweifelt: „Die schlafen doch auf dem Weg vom Schreibtisch zur Kaffeeküche ein“, sagt ein Personalverantwortlicher, der älteren Bewerbern kritisch gegenüber steht und weiß, dass er nicht der einzige ist, der so denkt. Doch der Jugendwahn lässt manche Unternehmen in eine dauerhafte Personalkrise schlittern. „Viele Unternehmen leiden unter einer hohen Mitarbeiterfluktuation. Junge Bewerber im besten Karriere-Alter bleiben oft nur ein bis drei Jahre. Ältere Semester haben dagegen seltener solche Ambitionen. Sie möchten eine interessante Aufgabe haben und in der Firma bis zum Ruhestand arbeiten, also noch zehn bis 15 Jahre“, sagt Nobis. Ein Detail, das besonders ins Auge springt, wenn man sich die Wechselabsichten der IT-Führungskräfte anschaut: Rund 80 Prozent wollen in naher Zukunft die Stelle wechseln, wie bei der diesjährigen CIO Survey von Harvey Nash ermittelt wurde http://www.harveynash.com/ciosurvey/. Die hohe Fluktuation zieht sich durch alle Hierarchie-Ebenen. Einige Unternehmen reagieren bereits: Erst kürzlich sei er von einem Unternehmen angesprochen worden, dass ausdrücklich nach einem älteren Mitarbeiter Ausschau hält, sagt Nobis. Zuvor musste der dortige Chef eine Stelle in fünf Jahren drei Mal neu besetzen. Ältere IT-Experten könnten auch Stabilität und Ruhe in ein Team bringen – sie haben weniger zu verlieren und mehr Lebenserfahrung.


Der finanzielle Spagat der Älteren

Die Älteren kämpfen aber nicht nur gegen Vorurteile, sondern stecken auch in einer finanziellen Zwickmühle. Durch ihre oft jahrzehntelange Erfahrung haben sie ein hohes Gehalt, das ihnen manche Stelle verbaut. Passen sie ihre Gehaltsforderungen an, können sie zwar mit Jüngeren mithalten – zugleich stellt sich manch ein Personaler die Frage, ob mit dem Kandidaten etwas nicht stimmt. Außerdem müssen die „alten Eisen“ ebenso kritisch gegenüber sich selbst sein, betont Nobis – fernab der geforderten Qualifikation. Wer beratungsresistent sei, oder im Bewerbungsgespräch altväterlich über alles hinweggehe und neue Methoden als alten Wein in neuen Schläuchen abtue, habe es natürlich schwer. „Aber Bewerber, die es aufgrund ihres Charakters schwierig haben, gibt es eben in jedem Alter.“

http://www.ne-na.de