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Der Frauenanteil in DAX-Vorständen sinkt in der Krise

Deutscher Sonderweg: Verkleinerung der Vorstände und Rückgriff auf Gewohntes, Vertrautes, „Altbewährtes“ –man setzt auf Männer.
© Pixabay / Free-Photos
 

Die Pandemie prägt derzeit auf beispiellose Weise die Wirtschaft weltweit. Doch nicht überall ist die Reaktion der Unternehmen dieselbe. In der Krise strukturieren deutsche Konzerne ihre Führungsetagen um, allerdings ganz anders als ihre Wettbewerber in anderen westlichen Industrieländern. Während dort die Vorstände deutlichweiblicher werden, sind in deutschen Börsenunternehmen im Krisenjahr zwei Mechanismen zu beobachten: eine Verkleinerung der Vorstände und der Rückgriff auf Gewohntes, Vertrautes, „Altbewährtes“ –man setzt auf Männer.

Viel häufiger als in den Vorjahren haben sich die deutschen Konzerne im vergangenen Jahr von Frauen in den Vorständen verabschiedet; so ist der Frauenanteil bei den30 DAX-Unternehmen nicht wie in den Vorjahren weiter angestiegen, sondern in einer Rückwärtsbewegung auf den Stand von 2017 gefallen. Er liegt aktuell bei nur 12,8 Prozent, die Zahl der DAX-Unternehmen ohne Frau im Vorstand ist seit September 2019 von 6 auf 11 hochgeschnellt.

Ganz anders im Ausland: In den USA, Großbritannien, Schweden, Frankreich und Polen werden in der Krise kontinuierlich vielfältigere Führungsteams aufgebaut, die komplexen Herausforderungen besser gewachsen sind. In diesen Ländern gelingt es viel besser, weibliche Talente zu befördern: In den USA (28,6 %), Schweden (24,9 %) und Großbritannien (24,5 %) ist der Frauenanteil im Top-Management teils mehr als doppelt so hoch wie bei den DAX-Unternehmen, die im internationalen Vergleich den letzten Platz belegen und immer weiter zurückfallen.

Deutschland ist das einzige Land im Vergleich, in dem kein einziger der 30 größten Konzerne einen Frauenanteil im Vorstand von 30 Prozent erreicht und es ist das einzige Land, in dem keines dieser Unternehmen von einer Frau geführt wird. Haben 97 Prozent der amerikanischen und 87 Prozent der französischen Großunternehmen mehrere Frauen im Vorstand, ist das in Deutschland nur noch bei 4 DAX-Unternehmender Fall: Allianz, Daimler, Deutsche Telekom und Fresenius Medical Care.

Viele der gegangenen Vorständinnen waren Pionierinnen im Top-Management, die häufig aus dem Ausland rekrutiert waren. Diese erste Generation wird nun nach und nach ersetzt, dabei kamen90 Prozent der im vergangenen Jahr neu hinzu gekommenen Vorständinnen aus Deutschland –die „Pipeline“ an Führungsfrauen in den deutschen Unternehmen ist so gut gefüllt wie nie zuvor.

„Dieser Entwicklungsstand im Top-Management der deutschen Unternehmen passt nicht zum Selbstverständnis eines fortschrittlichen westlichen Industrielands. Hier fehlt noch immer ein dringend notwendiger Modernisierungsschub, wie er in den Unternehmen anderer Länder längst in vollem Gange ist. In der Krise auf vertraute Männer zu setzen, ist ein kurzsichtiger Reflex, der sich über kurz oder lang rächen wird“, kommentieren Wiebke Ankersen und Christian Berg. „Die gut ausgebildeten Frauen stehen längst in großer Zahl bereit. Die Unternehmen müssen ihnen nur viel konsequenter Verantwortung übertragen –auch und gerade in der Krise“.