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Wir benötigen mehr Handlungskompetenz

Wer Handlungskompetenz besitzt, kann in Alternativen denken.
Ulf D. Posé | 03.03.2014
Wir benötigen mehr Handlungskompetenz
Wann ist ein Mensch in seinen Handlungen kompetent? Wenn er etwas von der Sache versteht. Wenn er sich auskennt, wenn er genügend Qualifikation besitzt.
Ich erinnere mich an eine Talkshow, in der ein Politiker von Gegnern seiner Fraktion heftig angegriffen wurde. Einer der Angreifer meinte ziemlich aufgeregt: „Sie haben doch keine Ahnung, Herr Kollege.“ Darauf lehnte sich der Angegriffene zurück und konterte ziemlich süffisant: „Ich gebe gern zu, dass Sie von der Sache mehr Ahnung haben als ich Herr Kollege. Ich begnüge mich mit Wissen.“ Das saß!

Handlungskompetenz meint die Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen um Gegebenheiten. Handlungskompetenz meint nicht, ich gebe mich mit meinen Ahnungen oder Vermutungen zufrieden. Handlungskompetenz meint auch nicht, ich fühle mich gut, ich halte mich für kompetent. Das erzeugt meistens eine ziemlich gefährliche Mischung. Das Elend in der Welt entsteht nicht durch bösen Willen, sondern durch gute, beste Absichten, die an Inkompetenz in der Sache gekoppelt sind. Dadurch entsteht nur Mist, bei dem man sich auch noch gut fühlt.
Handlungskompetenz ist immer ausgestattet mit dem festen Willen und Bemühen, sich kundig in der Sache zu machen.

Im Kern fordert Handlungskompetenz:
• die Fähigkeit und Bereitschaft, über mögliche Folgen des Handelns vor der Tat nachzudenken.
• die Fähigkeit und Bereitschaft, zu überlegen, ob es nicht doch zu der vorgesehenen Handlung eine sinnvolle, möglicherweise bessere Alternative gibt.
• die Fähigkeit und Bereitschaft, jederzeit sein Handeln begründen zu können. Ich muss angeben können, warum, ich so, und nicht anders handeln musste.
• Die Fähigkeit und Bereitschaft, für sein Handeln anschließend gerade zu stehen. Wer Handlungskompetenz besitzt, übernimmt auch jederzeit für die überschaubaren Folgen seines Tuns die Verantwortung.

Wer Handlungskompetenz besitzt, kann in Alternativen denken. Wer in Alternativen denken kann, weiß immer um die Möglichkeit, auch anders handeln zu können. Dadurch bleibt ein Mensch offen für Lernprozesse. Wer in Alternativen denkt, verhindert den Handlungszwang. Es gibt Menschen, die meinen nur so, und nicht anders handeln zu können. Damit berauben sie sich der Chance, zu erkennen, dass es auch durchaus anders geht. Wer in Alternativen denken kann, der entdeckt schneller als andere seine Denk- und Handlungsfehler bevor sie stattfinden. Wer in Alternativen zu denken weiß, der fragt sich vor jeder Tat, ob es nicht doch noch eine andere, vielleicht besser Möglichkeit gibt, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. ‚Viele Wege führen nach Rom’ ist sicher ein hilfreicher Gedanke dabei.
Es gibt nicht wenige Menschen, die Alternativen ablehnen. „Da kommt man ja nie zu einer Entscheidung. Eine schlechte Entscheidung ist immer noch besser als gar keine Entscheidung.“ So oder ähnlich lauten die Vorwürfe. Aber sind sie berechtigt? Das wären sie sicher, wenn man sich ausschließlich auf die Suche nach Alternativen begibt, und damit nie aufhört. Zum Alternativdenken gehört es eben auch, dass ich diese Alternativen einer Prüfung unterziehe. Nachdem das geschehen ist, muss ich entscheiden.
Diese Prüfung ist notwendig um zu einer besonders guten Entscheidungsqualität zu kommen. Wer das Denken in Alternativen unterlässt, und seine Alternativen nicht einer gewissenhaften Prüfung unterzieht, der beraubt sich der Chance, ein Problem mit einem Minimum an Aufwand bei gleichzeitiger optimaler Lösungsqualität in den Griff zu bekommen.

Das Denken in Alternativen verbessert immer die Lösungsqualität. Allerdings sollten bei der Prüfung der Alternativen folgende Kriterien eine Rolle spielen:
• Wähle die Alternative, die einer geringeren Anzahl von Menschen schadet oder schaden könnte.
• Wähle die Alternative, die einer größeren Anzahl von Menschen nutzt oder voraussichtlich nutzen kann.
• Wähle die Alternative, die voraussichtlich vor allem sozial Schwachen nutzt.
• Wähle die Alternative, bei der voraussichtlich die Schädigung der Umwelt klein bleibt oder der Schaden nur kurzfristig eintritt.
• Wähle die Alternative, die den geringsten sozialen, emotionalen, finanziellen Aufwand einfordert.
• Wähle die Alternative, die die geringsten Reibungsverluste und damit die geringsten Interaktionskosten hervorruft.
• Wähle die Alternative, die mit dem geringsten Aufwand verständlich gemacht werden kann.
• Wähle die Alternative, die bei unerwarteten Folgen am leichtesten rückgängig gemacht werden kann.

Gerade der letzte Punkt macht deutlich, warum das Denken in Alternativen so wichtig ist. Was nützt eine Entscheidung, die bei Misserfolg nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Da wäre es doch besser, ich hätte eine Alternative gesucht, die dasselbe Ziel erreichen kann, jedoch im Misserfolg wieder korrigiert werden kann.